BAG: Abmahnung Schwerbehindertenvertreter
Im zu entscheidenden Rechtsstreit hatte die Arbeitgeberin der Vertrauensperson in einem Mitarbeitergespräch vorgeworfen, sie habe einer Mitarbeiterin dazu geraten und sie dabei unterstützt, in ihrem Gleichstellungsantrag unzutreffende Angaben zu machen. Die Vertrauensperson äußerte sich zu diesem Vorwurf nicht. Die Arbeitgeberin erteilte der Vertrauensperson daraufhin eine Abmahnung, in der es unter anderem heißt: „… ich spreche Ihnen wegen Verstoßes gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten eine Abmahnung aus.“
Die Vertrauensperson verlangte daraufhin im Beschlussverfahren u. a. die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte mit der Begründung, die Arbeitgeberin habe mit der Abmahnung die Amtsführung als Vertrauensperson gerügt. Dies sei unzulässig und stelle einen Verstoß gegen das Behinderungsverbot in § 179 II SGB IX dar. Er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht verletzt.
Die Arbeitgeberin hingegen vertrat die Auffassung, dass durch die Vertrauensperson bereits die falsche Verfahrensart gewählt wurde und beantragte Antragsabweisung.
Das BAG hat jetzt im Vorabentscheidungsverfahren festgestellt, dass ein Rechtsstreit auch dann im Urteilsverfahren gemäß § 2 ArbGG zu entscheiden ist, wenn die Vertrauensperson ihren Entfernungsanspruch nicht ausschließlich auf eine individualrechtliche, sondern zusätzlich auch auf eine kollektivrechtliche Anspruchsgrundlage stützt.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Für die richtige Verfahrensart entscheidend ist hier gewesen, dass es sich bei der kollektivrechtlichen und der individualrechtlichen Grundlage des geltend gemachten Verlangens auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte nicht um zwei Streit- oder Verfahrensgegenstände gehandelt hat, sondern um einen Verfahrensgegenstand.
Da aber nach § 48 Abs. 1 ArbGG für die Zulässigkeit der Verfahrensart die §§ 17 bis 17 b des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) – mit bestimmten Maßgaben – entsprechend gelten, hat das Gericht des zulässigen Rechtswegs nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Da hier ein einheitlicher Streitgegenstand vorgelegen hat, führt dies in der Konsequenz zu einer verfahrensüberschreitenden Sachentscheidungskompetenz.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung:
03.12.2020
Aktenzeichen:
7 AZB 57/20