ArbG Aachen: Kollision zwischen kirchlichem Arbeitsrecht und einzelvertraglichen Regelungen

Streitgegenständlich war unter anderem die Vergütungsklage eines Oberarztes über 51.898,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2021 zu zahlen. 

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus und ist Mitglied des Diakonischen Werks. Im Krankenhaus ist eine Mitarbeitervertretung gebildet. 

Der Kläger war seit dem 01.04.1981 als Arzt bei der Beklagten beschäftigt und seit 1988 Mitglied der MAV, seit 1992 deren Vorsitzender. Im Zusammenhang mit der Ausgliederung eines MVZ kam es zwischen den Parteien zu Gesprächen über einen Wechsel des Klägers in das MVZ. In mehreren Verträgen schlossen die Parteien hierzu Vereinbarungen, auf deren Basis die Beklagte weiterhin Vergütungszahlungen an den Kläger leistete. Nach Wechsel des Vorstands berief sich die Beklagte dann auf die Nichtigkeit der den Zahlungen zugrunde liegenden Verträgen, da diese nur die Tätigkeit des Klägers in der Mitarbeitervertretung hätten ermöglichen sollen. Da diese nach § 19 MVG-EKD nur unentgeltlich möglich sei, seien die Verträge nichtig. 

Der Kläger hat beantragt, 

  1. festzustellen, dass zwischen den Parteien aufgrund des am 09.03.1981 geschlossenen Arbeitsvertrages ein Arbeitsverhältnis als ärztlicher Mitarbeiter und Gefäßchirurg besteht; 
  1. den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen als ärztlichen Mitarbeiter und Gefäßchirurgen weiter zu beschäftigen; 
  1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die Gehälter für die Monate September 2020 in Höhe von 8.508,00 € brutto, Oktober 2020 in Höhe von 8.678,16 € brutto, November 2020 in Höhe von 8.678,16 € brutto, Dezember 2020 in Höhe von 8.678,16 € brutto, Januar 2021 in Höhe von 8.678,16 € brutto, Februar 2021 in Höhe von 8.678,16 € brutto, März 2021 in Höhe von 8.678,16 € brutto, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 16.03.2021 zu zahlen. 

Die Klage war im Wesentlichen erfolgreich und wurde lediglich in Höhe eines noch nicht fälligen Teilbetrages für den Monat März zurückgewiesen, der noch nicht fällig war. 

Nach Einschätzung des Gerichts könne sich die Regelung des § 19 MVG-EKD nicht gegen die Vereinbarungen der privatautonom geschlossenen Arbeitsverträge durchsetzen, da eine normative Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen kirchengesetzlich nicht angeordnet werden könne. Die Vorschrift sei Bestandteil der kirchlichen Ordnung, deren Aufrechterhaltung nicht Aufgabe der staatlichen Arbeitsgerichte sei. Auch eine Sittenwidrigkeit der konkret getroffenen Regelung könne nicht festgestellt werden. 

 

 

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Das ArbG Aachen entscheidet hier einen Einzelfall, weist aber zutreffend darauf hin, dass das säkulare Recht für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine unmittelbare und zwingende Geltung anordnet. Insofern bleibt der Grundsatz der Vertragsfreiheit unberührt und die getroffene Vergütungsregelung ist deshalb auch nicht unter Verweis auf § 19 MVG-EKD unwirksam. 

Eine normative Wirkung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen besteht auch nach der Rechtsprechung des BAG nicht (BAG, 13. November 2002 – 4 AZR 73/01 – BAGE 103, 353, zu I 3 b bb der Gründe; BAG, 20. März 2002 – 4 AZR 101/01 – BAGE 101, 9, 20, zu III 2 b aa der Gründe). Die Entscheidung ändert aber nichts an der Ausgestaltung der MAV-Tätigkeit als Ehrenamt sowohl nach § 19 MVG-EKD, als auch nach § 14 MAVO, setzt aber konsequent den Vorrang individualvertraglicher Regelungen um.  

 

 

 

Gericht: 

ArbG Aachen

Datum der Entscheidung 

26.03.2021

Aktenzeichen 

6 Ca 3433/20