ArbG Köln: Kündigung wegen behördlich angeordneter Quarantäne ist unwirksam
Das Arbeitsgericht Köln hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Arbeitgeber wirksam ein Arbeitsverhältnis gegenüber seinem Arbeitnehmer kündigen kann, weil dieser sich aufgrund behördlicher Anordnung in häuslicher Quarantäne befindet.
Der beklagte Arbeitgeber ist selbstständiger Dachdeckermeister und betreibt einen Dachdeckerbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern. Der Kläger ist bei ihm seit dem 02.06.2020 als Monteur beschäftigt. In der zweiten Hälfte des Oktober 2020 meldete sich das zuständige Gesundheitsamt bei dem Kläger und ordnete gegenüber diesem telefonisch eine häusliche Quarantäne aufgrund des Maßnahmenkatalogs zur Eindämmung der Covid19-Pandemie an. Hintergrund war, dass der Bruder der Freundin des Klägers positiv auf das Corona-Virus getestet worden war und der Kläger dem Gesundheitsamt insofern als Kontaktperson mitgeteilt wurde. Der Kläger informierte den Beklagten über die angeordnete Quarantäne und dass er aufgrund dieser vorerst nicht zur Arbeit erscheinen könne. Der Beklagte bezweifelte gegenüber dem Kläger die behördliche Quarantäne-Anordnung und verlangte hierüber einen Nachweis. Einen solchen schriftlichen Nachweis konnte der Kläger dem Beklagten zunächst nicht vorlegen, da er selbst einen solchen noch nicht erhalten hatte. Auch auf telefonische Nachfrage des Klägers beim Gesundheitsamt wurde dem Kläger die Verschriftlichung der Anordnung zwar in Aussicht gestellt, jedoch noch nicht erteilt. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits erfolgte eine umfangreiche WhatsApp-Korrespondenz, in deren Folge der Beklagte mit Schreiben vom 26.10.2020 die Kündigung des gemeinsamen Arbeitsverhältnisses zum 08.11.2020 erklärte. Mit Schreiben vom 30.10.2020 erließ die Stadt eine schriftliche Ordnungsverfügung gegenüber dem Kläger, in welcher die Anordnung der häuslichen Quarantäne für den Zeitraum vom 23.10. bis zum 31.10.2020 erfolgte. Der Kläger wendete sich mit Kündigungsschutzklage vom 06.11.2020 gegen die Beklagtenkündigung. Er vertritt die Auffassung, die Kündigung sei sittenwidrig, da er sich lediglich an die behördlich angeordnete Quarantäne gehalten habe.
Das Arbeitsgericht Köln gab der Kündigungsschutzklage des Klägers statt. Zwar findet das Kündigungsschutzgesetz auf das vorliegende Arbeitsverhältnis keine Anwendung, weil der Beklagte regelmäßig weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt und damit einen Kleinbetrieb unterhält und der Kläger darüber hinaus ohnehin die sechsmonatige Wartefrist noch nicht erfüllt hat, sodass die Kündigung für ihre Rechtswirksamkeit grundsätzlich keiner sozialen Rechtfertigung in Form eines Kündigungsgrundes im Sinne von § 1 KSchG bedurfte. Allerdings folge aus der Nichtanwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht eine grenzenlose Zulässigkeit von Kündigungen, denn der Arbeitnehmer sei jedenfalls vor willkürlichen Kündigungen geschützt. Der Beklagte habe bei Ausspruch der Kündigung, auch wenn es hierfür eines Kündigungsgrundes nicht bedurft habe, zumindest ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu beachten. Insbesondere Kündigungen, die auf sachfremden Motiven beruhen sind damit auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetztes, d.h. im Kleinbetrieb und in den ersten sechs Monaten eines Arbeitsverhältnisses, unzulässig. Vor diesem Hintergrund sei die streitgegenständliche Arbeitgeberkündigung unwirksam. Denn aus dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden ergibt sich, dass es von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz allein deswegen verliert, weil eine behördliche Quarantäne-Anordnung aufgrund der Covid19-Pandemie erfolgt. Darauf, dass die schriftliche Anordnung erst später erfolgte, hatte der Kläger keinen Einfluss. Es wäre geradezu paradox, so das Gericht, wenn Arbeitgeber dahingehend privilegiert würden, dass sie sich bei einer Quarantäne einfach sofort von einem Arbeitnehmer trennen könnten, wenn sie gleichzeitig die Möglichkeit haben, die an den Arbeitnehmer ausgezahlte Vergütung während der Quarantäne vollständig behördlich erstattet zu bekommen. Eine solche Kündigung aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne ist von der Rechtsordnung nicht hinzunehmen und damit regelmäßig rechtswidrig. Dass die vorliegende Kündigung unmittelbar aufgrund der häuslichen Quarantäne ausgesprochen wurde, ergibt sich aus der zwischen den Parteien geführten WhatsApp-Kommunikation.
Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln ist zu befürworten, da sich in Quarantäne befindliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelmäßig der Ungewissheit ausgesetzt sehen, welche Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber während der Dauer der Quarantäne bestehen und ob der Bestand des Arbeitsverhältnisses durch die Quarantäne u.U. gefährdet sein kann. Im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, in dem das Vorliegen eines bestimmten Kündigungsgrundes zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung erforderlich ist, erscheint die Frage der Wirksamkeit einer aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne erteilten Kündigung leicht zu beantworten. Außerhalb dieses Anwendungsbereiches hat das Arbeitsgericht Köln nunmehr mit seiner Entscheidung für mehr Rechtsicherheit und Rechtsklarheit betreffend das arbeitsrechtliche Miteinander zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie beigetragen.
Gericht:
ArbG Köln
Datum der Entscheidung
15.04.2021
Aktenzeichen
8 Ca 7334/20