ArbG Köln: Mitbestimmung des Betriebsrats bei Neueinstellungen
Gegenstand dieses Verfahrens waren mehrere Anträge auf Zustimmungsersetzung, die die Arbeitgeberin, die einen Online-Lieferservice betreibt und in ihrem Betrieb in Köln ca. 500 Mitarbeiter beschäftigt, im Beschlussverfahren geltend gemacht hatte. Konkret ging es um die Einstellung von Auslieferungsfahrern, die mit Fahrrad, Mofa oder Pkw im Stadtgebiet von Köln Essen ausliefern sollten.
Die Neueinstellungen im Betrieb erfolgten dergestalt, dass zunächst auf einer Internetseite regelmäßig zu Initiativbewerbungen aufgefordert wurde. Nach einem ersten Eingangstest wurden die Bewerber an das „Recruiting-Team“ weitergeleitet. Wenn eine Stelle im Liefergebiet frei wurde, erfolgte in der Regel dann auch eine Einstellung, wobei die im Test erfragten Einstellungsvoraussetzungen im Wesentlichen auf das Beherrschen der deutschen oder der englischen Sprache sowie die Befähigung, im Stadtgebiet mit Lasten Fahrrad fahren zu können, begrenzt waren.
Regelmäßig erfolgte keine Anhörung des Betriebsrats vor den Neueinstellungen. Das Unternehmen führte lediglich eine Excel-Tabelle hinsichtlich der Neueinstellungen, in die der Betriebsrat Einblick nehmen konnte. Durch die Corona-Pandemie kam es im Betrieb der Antragstellerin zu einem sprunghaften Anstieg von Einstellungen. Im November 2020 trug die Antragstellerin hinsichtlich ca. 100 Arbeitnehmern die Neueinstellungen in die Excel-Tabelle ein. Der Betriebsrat widersprach den beabsichtigten Neueinstellungen und verwies auf vorhandene Arbeitnehmer, die ihre Stundenkontingente gerne erhöhen würden.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung durchgeführt zu haben und die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Excel-Tabelle sei dafür ausreichend.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Zustimmungsersetzung zurückgewiesen und zur Begründung unter anderem ausgeführt, dass ein erfolgreicher Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung nach § 99 BetrVG voraussetzt, dass das Zustimmungsverfahren überhaupt ordnungsgemäß gegenüber dem Betriebsrat eingeleitet wurde. Hier fehle es bereits an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Insofern stelle das Gewähren einer Einsichtnahmemöglichkeit in eine Excel-Tabelle schon keine Anhörung des Betriebsrats dar. Insbesondere habe die Arbeitgeberin gar nicht erst versucht, entsprechend § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Den parallel gestellten Antrag zur vorläufigen Durchführung der Neueinstellungen nach § 100 BetrVG hat das Gericht dagegen stattgegeben, weil die formellen Voraussetzungen gewahrt waren und nach Einschätzung des Gerichts durch den dringenden Neueinstellungsbedarf aufgrund der Besonderheiten des Zweiten Corona-Lockdown auch die inhaltlichen Anforderungen erfüllt wurden.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Entscheidung ist überzeugend und richtig. Erstaunlich ist allenfalls, dass die Arbeitgeberin hier tatsächlich vortragen ließ, die Anforderungen aus § 99 BetrVG würden sich durch eine bloße Einsichtnahme in eine Liste erfüllen lassen.
Ausdrücklich offengelassen hat das Arbeitsgericht die Frage, ob die ergänzenden Informationen, die im laufenden Beschlussverfahren erteilt wurden, die ursprünglichen Anhörungsmängel heilen konnten. Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht in einem Beschluss vom 21 11. 2018 (Az. 7 ABR 16/17) entschieden, dass jedenfalls die Zustimmungsfiktion des §§ 99 Abs. 3 S. 2 BetrVG nicht eintritt, wenn die Information des Betriebsrats erst nachträglich erfolgt, nachdem der Arbeitnehmer seine Tätigkeit schon aufgenommen hat.
Gericht:
ArbG Köln
Datum der Entscheidung
27.04.2021
Aktenzeichen
8 BV 202/20