BAG: Abkehr von der gegenläufigen betrieblichen Übung bei Gratifikationszahlungen (z.B. Weihnachtsgeld)

Hat ein Arbeitgeber mindestens drei Jahre lang vorbehaltlos Weihnachtsgeld gezahlt, so kann er den Anspruch des Arbeitnehmers der aus einer sogenannten betrieblichen Übung entstanden ist nicht dadurch aufheben, dass er bei dreimaliger Zahlung des Weihnachtsgeldes erklärt, dies sei eine freiwillige Leistung und begründe keinen Rechtsanspruch (Abkehr von der bisherigen Rechtssprechung zur negativen betrieblichen Übung).

Der Kläger war seit 01.08.1971 bei der Beklagten beschäftigt. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zum Jahr 2005 wurde Weihnachtsgeld durch die Beklagte gezahlt. Für die Jahre 2002 – 2005 enthielten die Lohnabrechnungen den Vermerk: „ Die Zahlung des Weihnachtsgeldes ist eine freiwillige Leistung und begründet keinen Rechtsanspruch!“ Dem hat der Kläger durch anwaltliches Schreiben widersprochen. Im Jahr 2006 wurde dann kein Weihnachtsgeld mehr gezahlt.

Das BAG stellte fest, dass es auf dem Widerspruch des Klägers gar nicht ankam. Die bisherige Rechtsprechung zur negativen betrieblichen Übung ist nach Ansicht des BAG mit der Rechtslage nach der Modernisierung des Schuldrechtes vom 01.01.2002 nicht mehr mit dem Gesetz vereinbar. Danach kommt es nicht darauf an, ob dem Freiwilligkeitsvorbehalt widersprochen wurde. Ausschlaggebend ist, dass ein Arbeitgeber nicht einen durch betriebliche Übung entstandenen Weihnachtsgeldanspruch durch die Erklärung eines Freiwilligkeitsvorbehalts in drei aufeinanderfolgenden Jahren beseitigen kann. Eine Beseitigung des Weihnachtsgeldanspruches kann nur durch ausdrückliche Abänderung des Arbeitsvertrages erfolgen. Die Erklärungen in den Lohnabrechnungen sind dazu aber nicht ausreichend.

Anmerkung: Das BAG gibt damit seine bisherige Rechtsprechung auf. Es nimmt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, einen durch dreimalige Zahlung einer Gratifikation (Weihnachtsgeld) entstandenen Anspruch des Arbeitnehmers durch dreimalige Erklärung der Freiwilligkeit der Zahlung wieder zum Erlöschen zu bringen. Die Erklärungen in Lohnabrechnungen, aber auch in Rundschreiben, die einseitig vom Arbeitgeber erfolgen, können einen Weihnachtsgeldanspruch, der durch betriebliche Übung entstanden ist, damit nicht beseitigen. Notwendig ist eine beidseitige Veränderung des Arbeitsvertrages. Das BAG hat sich jedoch hier eine Hintertür offen gehalten: In seinem Urteil spricht es an, dass bei Arbeitsverhältnissen, die vor dem 01.01.2002 begründet wurden, ggf. ein gewisser Vertrauensschutz bestehen könnte. Im vorliegenden Fall musste das BAG jedoch dazu keine weitere Stellung nehmen, da es festhielt, dass bereits die Voraussetzungen der vorherigen Rechtsprechung nicht erfüllt wurden. Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen das BAG zukünftig an diesen Vertrauensschutz stellen wird.

Für Arbeitsverhältnisse, die nach dem 01.01.2002 begründet wurden, gilt aber jedenfalls die geänderte Rechtsprechung des BAG. Von dieser Rechtsprechung ausgenommen sind nur individuell ausgehandelte Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Voraussetzungen an eine solche Individualvereinbarung werden in der Praxis aber so gut wie nie erfüllt.

BAG, Urteil vom 18.03.2009, Az. 10 AZR 281/08

Aktenzeichen:

10 AZR 281/08

10 AZR 281/08

10 AZR 281/08

10 AZR 281/08