BAG: Ablösung kollektivrechtlicher Regelungen nach Transformation ins Individualarbeitsrecht aufgrund Betriebsübergang
Für den Betrieb des Klägers hatten die Betriebsparteien (Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber) eine Altersversorgungsordnung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers bestand bereits seit dem 01.01.1987, die Gesamtbetriebsvereinbarung wurde 1992 geschlossen. In der Gesamtbetriebsvereinbarung war unter anderem eine Altersrente in Abhängigkeit von Dienstzeit und pensionsfähigem Einkommen geregelt. In der Folge kam es zu zwei Betriebsübergängen und schließlich wurde die Arbeitgeberin des Klägers 2013 auf die jetzige Beklagte verschmolzen. Der Betrieb wurde dabei vollständig in den Betrieb der Beklagten integriert.
Die aktuellen Betriebsparteien vereinbarten einen Sozialplan, nach dem im Versorgungskonto für die bis zum 30.05.2013 nach der in 1992 geschlossenen Betriebsvereinbarung entstandenen Versorgungsanwartschaften ein Initialbaustein sowie weitere Bausteine gutzuschreiben sind. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass sich seine betriebliche Altersversorgung weiterhin ausschließlich nach der bei der Betriebsvorgängerin in 1992 geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung richtet. Nachdem bereits die beiden ersten Instanzen die Klage abgewiesen hatten, hat auch die Revision des Klägers keinen Erfolg.
Dabei hat das Bundesarbeitsgericht die Zurückweisung der Revision wesentlich darauf gestützt, dass Normen einer Betriebsvereinbarung, die infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a I 2 BGB in das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber transformiert worden sind, auch bei einem nachfolgenden Betriebsübergang nur auf der Grundlage von § 613a I 2 BGB für das auf den weiteren Erwerber übergegangene Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangen.
Demnach behalten transformierte Normen auch beim Erwerber ihren kollektivrechtlichen Charakter und sind daher gemäß § 613a I 3 BGB einer Neuregelung durch eine ablösende Betriebsvereinbarung, in diesem Fall durch den zwischen dem Betriebsparteien vereinbarten Sozialplan, zugänglich.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Frage, ob und unter welchen Umständen Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebsübergang kollektivrechtlich fortwirken können und in welcher Weise in den Individualarbeitsvertrag transformierte Normen abgelöst werden können, bereitet in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Mit seiner aktuellen Entscheidung bestätigt der Erste Senat die bestehende Rechtsprechung des Vierten Senats, wonach derartige Transformationen den kollektivrechtlichen Charakter einer Betriebsvereinbarung nicht verändern. Auch wenn solche Betriebsvereinbarungen also in Individualarbeitsrecht umgewandelt werden, bleiben sie doch kollektivrechtlicher Natur und können nach einem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 S. 3 BGB durch neue kollektive Regelungen der Betriebsparteien im Betrieb des Übernehmers abgelöst werden.
Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen:
1 AZR 154/17
Datum der Entscheidungen
12.06.2019