BAG: Abmahnung wegen unterbliebener Anzeige einer Nebentätigkeit

Das Bundesarbeitsgericht hatte im vorliegenden Revisionsverfahren darüber zu entscheiden, ob Arbeitnehmer zur Anzeige von Nebentätigkeiten vor deren Aufnahme verpflichtet sind und ob ein Verstoß gegen diese Anzeigepflicht eine Abmahnung rechtfertigen kann. 

Folgender Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde: 

Der Kläger ist bei der Beklagten als Redakteur der Zeitschrift „W.“ beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften in der Fassung vom 04. November 2011 (MTV) Anwendung, nach dessen § 13 Ziffer 3 eine Redakteurin bzw. ein Redakteur zur anderweitigen Verarbeitung, Verwertung und Weitergabe der ihr/ihm bei ihrer/seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt gewordenen Nachrichten und Unterlagen der schriftlichen Einwilligung des Verlags bedarf.

Im September 2017 nahm der Kläger im Rahmen einer Dienstreise in die USA an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens teil, um darüber für die Beklagte zu berichten. Der Artikel des Klägers enthielt u.a. die Schilderung eines Vorfalls, der sich während der Eröffnungsveranstaltung am abendlichen Buffet zwischen dem Kläger und der ausrichtenden Unternehmerin im Beisein von Redakteuren anderer Zeitschriften zugetragen hatte. Auf die Erklärung des Klägers, er esse nichts, da er „zu viel Speck über‘m Gürtel“ habe, kniff die Unternehmerin dem Kläger in die Hüfte. Diese Passage wurde von der Redaktion der Zeitschrift „W.“ gestrichen. Im Dezember 2017 fragte der Kläger seinen Chefredakteur, ob der Vorfall nicht doch noch im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könne. Dies lehnte der Chefredakteur ab. Der Ankündigung des Klägers, den Beitrag anderweitig zu publizieren, begegnete der Chefredakteur mit einem Hinweis auf das Konkurrenzverbot im Arbeitsvertrag. Im März 2018 erschien – ohne vorherige Unterrichtung der Beklagten – in der T.-Zeitung ein Beitrag des Klägers mit dem Titel „Ran an den Speck“. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, die schriftliche Einwilligung der Chefredaktion einzuholen.  

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte. Er hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, der Erlaubnisvorbehalt in § 13 Ziffer 3 MTV verletze ihn als Redakteur in seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit sowie in den weiteren Grundrechten auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG, außerdem in dem Recht aus Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Es sei nicht erforderlich gewesen, die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen, weil die Beklagte eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen. 

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger wegen Verletzung seiner Anzeigepflicht aus § 13 Ziffer 3 MTV abzumahnen. Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten. Das Landesarbeitsgericht hat vorliegend ohne Rechtsfehler angenommen, der Kläger sei unter den gegebenen Umständen verpflichtet gewesen, vor der Veröffentlichung des Artikels in der T.-Zeitung die Einwilligung der Chefredaktion einzuholen. Die Beklagte hatte ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung, um die Verwertung der Nachricht durch einen Wettbewerber gegebenenfalls verhindern zu können, während die Belange des Klägers dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt worden wären.   

 

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:

Das Urteil des BAG (9 AZR 413/19) liegt bislang nur als Pressemitteilung Nr. 13/21 vor. Der neunte Senat folgt damit der bisherigen Rechtsprechung zur Anzeigepflicht von Nebentätigkeiten. So ist es zwar zutreffend, dass die Ausübung einer Nebentätigkeit für Arbeitnehmer grundsätzlich zulässig ist, weil diese sich auf ihre Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG berufen können. Dem Arbeitgeber muss es jedoch ermöglicht werden, zu prüfen, ob berechtigte Interessen gegen die Aufnahme der Nebentätigkeit sprechen. Solche berechtigten Interessen sind neben den Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers auch die Überprüfung, ob durch die Aufnahme der Tätigkeit gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen wird. So ist vom Arbeitgeber als Adressat des Arbeitsschutzes u.a. dafür Sorge zu tragen, dass die höchstzulässige werktägliche Arbeitszeit (§ 3 ArbZG) und die Ruhezeiten (§ 5 ArbZG) eingehalten werden. Der Arbeitgeber hat somit bereits ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis von Nebentätigkeiten, weil er für die Einhaltung des Arbeitszeitschutzes verantwortlich ist. Dies hatte das Bundesarbeitsgericht bereits mit Urteil vom 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 entschieden und auch in diesem Verfahren eine Abmahnung des Arbeitgebers wegen der unterlassenen Anzeige der Nebentätigkeit für rechtmäßig befunden. 

 

 

 

 

Gericht: 

BAG

Datum der Entscheidung 

15.06.2021 

Aktenzeichen 

9 AZR 413/19