BAG: Anfechtung Betriebsratswahl bei der Volkswagen AG

Die Volkswagen AG betreibt am Standort Hannover-Stöcken ein Werk. Das gesamte Werksgelände ist mehrere Hektar groß und von einem geschlossenen Werkszaun umgeben. Es befinden sich allerdings auch außerhalb des umzäunten Geländes Betriebsstätten, die dem Werk organisatorisch zugeordnet sind. In der Vergangenheit hat der für das Werk Hannover-Stöcken gewählte Betriebsrat sowohl die Arbeitnehmer innerhalb des Werksgeländes, als auch die Arbeitnehmer der organisatorisch zugeordneten Betriebsstätten außerhalb des Werksgeländes vertreten. Drei dieser Betriebsstätten liegen unmittelbar angrenzend an das umzäunte Werksgelände. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses wurde die Wahl durch neun wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angefochten. 

Nachdem bereits Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt hatten, hat nunmehr auch das Bundesarbeitsgericht die hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerden sowohl des Betriebsrats als auch der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Tragende Begründung ist die Vorschrift des § 24 Abs. 3 der Wahlordnung, wonach die schriftliche Stimmabgabe nur für räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernte Betriebsteile und Kleinstbetriebe beschlossen werden kann. Diese Voraussetzung sei aber für die drei unmittelbar an das umzäunte Werksgelände angrenzenden Betriebsstätten nicht erfüllt gewesen. 

 

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Die Anfechtung einer Betriebsratswahl beeinträchtigt nicht die Arbeit des zunächst gewählten und konstituierten Betriebsrats. Dieser hört erst mit der rechtskräftigen Entscheidung über die Berechtigung der Anfechtung auf zu existieren. Alle Handlungen, die der gewählte Betriebsrat bis dahin vorgenommen hat, bleiben unabhängig von der Entscheidung des Gerichts wirksam. Die Verfahrensdauer, die hier eingetreten ist, zeigt, dass durch die Dauer der gerichtlichen Klärung gegebenenfalls auch über eine ganze Legislaturperiode hinweg der Betriebsrat trotz einer berechtigten Anfechtung im Amt bleiben kann. Sofern ein Betriebsrat vermeiden will, dass durch den früheren Eintritt einer rechtskräftigen Entscheidung ohne Übergangsregelung eine betriebsratslose Zeit eintritt, kann er dieses Ergebnis vermeiden, wenn er rechtzeitig selbst einen neuen Wahlvorstand zur Wiederholung der Betriebsratswahl einsetzt. Die Entscheidungen zur Rückkehr aus Home-Office oder alternierender Telearbeit häufen sich und das BAG bestätigt, dass derartige Maßnahmen der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG unterliegen. Wichtig ist auch die Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung, dass die Betriebsparteien formlos die Frist des § 99 Abs.3 S.1 BetrVG verlängern können (so auch: BAG 5. Mai 2010 – 7 ABR 70/08 – Rn. 30; 16. November 2004 – 1 ABR 48/03, BAGE 112, 329). Wichtig ist auch, dass das Kind die Notwendigkeit einer Kinderbetreuung grundsätzlich als wichtigen Faktor im Rahmen der Prüfung ansieht, im vorliegenden Fall dem Aspekt der Kinderbetreuung vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes der betroffenen Mitarbeiterin kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen hat. 

 

Gericht: 

BAG 

Aktenzeichen: 

7 ABR 29/20 

Datum der Entscheidung: 

16.03.2022