BAG: Anfechtung einer Betriebsratswahl
Gegenstand dieses Verfahrens war die Anfechtung einer Betriebsratswahl durch eine in einem Betrieb vertretene Gewerkschaft sowie mehrerer Mitarbeiter und Kandidaten. In dem betroffenen Betrieb wurde 2018 erstmals eine Betriebsratswahl durchgeführt. Der Wahlvorstand hatte drei Vorschlagslisten zur Wahl zugelassen. Auf zwei Listen kandidierten jeweils 35, auf der dritten Liste 26 Bewerber, wobei auf allen Stimmzetteln sämtliche Bewerber namentlich aufgeführt worden waren.
Die Wahlanfechtung erfolgte mit der Begründung, der Wahlvorstand habe gegen § 11 II 1 Hs. 1 WO verstoßen, indem die Namen sämtlicher Kandidaten der jeweiligen Listen aufgeführt worden seien. Zudem sei die Wahl in unzulässiger Weise durch den Arbeitgeber beeinflusst worden, indem dieser die Verteilung der Listen 2 und 3 durch Werbematerialen und mit Schokoriegeln unterstützt habe.
Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beantragten, die Anträge abzuweisen. § 11 II 1 Hs. 1 WO regle nur eine Mindestanzahl der je Vorschlagliste aufzuführenden Bewerber. Ein etwaiger Verstoß habe zudem keinen Einfluss auf das Wahlergebnis gehabt.
In 1. Instanz hatte das Arbeitsgericht die Anträge abgewiesen und sodann in 2. Instanz das LAG die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Diese Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr bestätigt.
So sei insbesondere schon aus dem Wortlaut des § 11 II 1 Hs. 1 WO ersichtlich, dass auf den Stimmzetteln nur die ersten beiden benannten Bewerber der Vorschlagslisten aufzuführen seien. Die Vorschrift sei zwingend einzuhalten und im vorliegenden Fall habe der Verstoß das Wahlergebnis auch beeinflussen können. Es sei demnach insbesondere nicht auszuschließen gewesen, dass die Wahlberechtigen durch die Anzahl der Bewerber je Liste dahingehend beeinflusst worden sind, dass sie ihre Wahlentscheidung zugunsten einer der Listen mit der größten Zahl an Wahlbewerbern getroffen hätten. Die Möglichkeit der Wahlberechtigten, im Vorfeld der Wahl in die Vorschlagslisten Einsicht zu nehmen, ändere daran nichts. Die fehlende Kausalität des Verstoßes für das Wahlergebnis könne daher nicht, wie erforderlich, positiv festgestellt werden.
Ob der Wahlvorstand sich alleine auf eigene Verfahrensfehler stützen kann, bleibt weiterhin offen. Der Senat betont zudem die zu Recht ausgesprochen geringen Anforderungen an die Kausalität des Verstoßes für das Wahlergebnis.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Bei der Betriebsratswahl sind nach § 11 II 1 Hs. 1 WO nur die Angaben der beiden an erster Stelle benannten Bewerber der jeweiligen Liste mit Familien- und Vorname untereinander aufzuführen. Diese Vorschrift gibt nicht die Mindestzahl der auf den Stimmzetteln anzugebenen Bewerber je Liste vor, sondern legt die Zahl zwingend fest. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun bestätigt, dass es sich hierbei um eine wesentliche Wahlvorschrift handelt, bei der ein Verstoß die Anfechtung der Betriebsratswahl rechtfertigen kann.
Die weitere Frage, ob es gegebenenfalls gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn Mitglieder des Wahlvorstands die Wahl anfechten aufgrund von Fehlern, die sie selbst (mit) verursacht haben, war durch das Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden gewesen, weil durch die Anfechtenden auch Verstöße des Arbeitgebers gerügt worden sind. Auch wenn das Gericht diese Verstöße am Ende nicht als Anfechtung erheblich beurteilt hat, ist das Gericht immer dann, wenn innerhalb der Anfechtungsfrist eine hinreichende Begründung erfolgt, von Amts wegen gehalten, allen in Betracht kommenden Wahlverstößen nachzugehen. Dies betraf dann hier auch die Frage der ordnungsgemäßen Erstellung der Listen.
Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Datum der Entscheidung:
16.09.2020
Aktenzeichen:
7 ABR 30/19