BAG: Anforderungen an gemeinsamen Betrieb


Die Stadt Frankfurt übertrug im Jahr 2004 ihren Regiebetrieb „Städtische Bühnen“ auf eine privatrechtliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Aufgrund eines Personalgestellungsvertrages zwischen der Stadt und der GmbH wurden der GmbH die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die GmbH widersprechenden Arbeitnehmer der Stadt im Wege der Personalgestellung zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus stellte die Stadt der GmbH die für den Bühnenbetrieb genutzten Gebäude kostenlos zur Verfügung.

Im Jahr 2005 kam es zur Wahl eines Betriebsrates. Im Wahlausschreiben wurden neben den bei der GmbH beschäftigten Mitarbeitern sämtliche von der Stadt Frankfurt gestellten Mitarbeiter bei der Wählbarkeit, der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder und bei der Berechnung der Minderheitenquote nach § 15 Abs. 2 BetrVG berücksichtigt. Die GmbH hat die Betriebsratswahl fristgerecht angefochten.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht.

Die Berücksichtigung der von der Stadt gestellten Mitarbeiter hinsichtlich der Wählbarkeit, der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder und der Berechnung der Minderheitenquote setze voraus, dass die Stadt Frankfurt und die GmbH einen gemeinsamen Betrieb gebildet haben. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Feststellungen reichten jedoch nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes nicht aus, um das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes anzunehmen.

Unverzichtbare Voraussetzung für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes sei zunächst ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz. Das sei nach den bisherigen Feststellungen jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr werde der Bühnenbetrieb nach den vertraglichen Vereinbarungen ausschließlich von der GmbH alleine geführt. Auch habe die Stadt sich kein Weisungs- oder Entscheidungsrecht bei der Ausgestaltung des Bühnenbetriebes vorbehalten.

Eine organisatorische Einheit zwischen den beteiligten Arbeitgebern sei nicht festzustellen. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass die Stadt außerhalb ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung auf den Bühnenbetrieb Einfluss nimmt oder die Arbeitnehmer des Bühnenbetriebes dem Weisungsrecht von Vertretern der Stadt unterliegen.

Die Angelegenheit wurde deshalb vom Bundesarbeitsgericht zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. (BAG vom 16.04.2008 – 7 ABR 4/07)

Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Die Entscheidung ist von erheblicher Bedeutung für die beratende Praxis. Die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen ist in vielen Fällen von den Beteiligten gewünscht. Das gilt häufig auch dann, wenn ein beteiligtes Unternehmen im Wesentlichen die Aufgabe übernommen hat, Personal zu niedrigeren Arbeitsbedingungen zu rekrutieren. In solchen Fällen erfolgt die Zusammenarbeit im Regelfall durch eine Arbeitnehmerüberlassung, wobei der Betrieb von der einen Gesellschaft geführt und das neue Personal zu niedrigeren Arbeitsbedingungen von der anderen Gesellschaft eingestellt und anschließend überlassen wird. Solche Gestaltungen begegnen aber nicht nur zunehmendem politischem Widerstand und könnten bei der anstehenden Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes weiter erschwert werden. Vielmehr stoßen solche Formen der Zusammenarbeit auch bei Arbeitnehmervertretungen regelmäßig auf Kritik, weil die Belegschaft auf diesem Wege in zwei Klassen gespalten wird und die im Wege der Arbeitnehmerüberlassung im Betrieb tätigen Mitarbeiter weder bei der Ermittlung der Zahl der Betriebsratsmitglieder noch bei der Wählbarkeit Berücksichtigung finden können.

Deshalb werden zunehmend Lösungen gewählt, bei denen die beteiligten Gesellschaften nicht im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zusammenarbeiten, sondern vielmehr einen gemeinsamen Betrieb bilden. In einem solchen gemeinsamen Betrieb sind die Mitarbeiter sämtlicher am Betrieb beteiligter Gesellschaften wahlberechtigt und wählbar und bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrates zu berücksichtigen. Ferner ist die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen auf den gesamten Betrieb zu erstrecken.

Das Bundesarbeitsgericht hat nun Mindestanforderungen für das Vorliegen eines gemeinsamen Betriebes konkretisiert und klargestellt, dass nicht ein gemeinsamer Betrieb, sondern Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, wenn diese Mindestanforderungen nicht erfüllt sind. Dabei stellt das Bundesarbeitsgericht keine übersteigerten Anforderungen. Für die Praxis hat diese Entscheidung zur Folge, dass die Rechtsbeziehungen zwischen den am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen exakt definiert werden müssen. Dabei muss nach Möglichkeit auch vertraglich fixiert werden, dass die Leitung des Betriebes von den beteiligten Unternehmen gemeinsam ausgeübt wird.

Aktenzeichen:

7 ABR 4/07

7 ABR 4/07

7 ABR 4/07