BAG: Anforderungen zur Ergänzung der Tagesordnung in Betriebsratssitzung unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung gelockert
In seiner Entscheidung vom 15.04.2014 – 1 ABR 2/13 hat das BAG unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung die Anforderungen zur Ergänzung der Tagesordnung dahingehend gelockert, dass zur Ergänzung der Tagesordnung nicht zwingend die Anwesenheit aller originären Betriebsratsmitglieder erforderlich ist.
Das BAG hat diebezüglich festgestellt, dass
„eine mangels Übermittlung der Tagesordnung verfahrensfehlerhafte Ladung zu einer Betriebsratssitzung durch die im Übrigen ordnungsgemäß geladenen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrats in der Betriebsratssitzung geheilt werden [kann], wenn dieser beschlussfähig iSd. § 33II BetrVG ist und die Anwesenden einstimmig beschließen, über einen Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen. Nicht erforderlich ist, dass an dieser Sitzung alle Betriebsratsmitglieder teilnehmen. (amtlicher Leitsatz)“
Nach der bisherigen Rechtsprechung war zur Ergänzung der Tagesordnung in einer Betriebsratssitzung zwingend die Anwesenheit aller originären Betriebsratsmitglieder erforderlich. Daher konnte ein zur Unwirksamkeit eines Betriebsratsbeschlusses führender Ladungsmangel iSd § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nur geheilt werden, wenn ein vollständig versammelter Betriebsrat in der Betriebsratssitzung die Aufstellung oder Ergänzung der Tagesordnung einstimmig beschloss (so noch BAG, Urteil vom 04. 05. 2006 – 7 AZR 201/05).
Das BAG hält in seiner Entscheidung vom 15.04.2014 nunmehr fest, dass die Anwesenheit aller Mitglieder des Betriebsrats als Voraussetzung der Heilung eines wegen Nichtbeachtung von § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG verfahrensfehlerhaften Betriebsratsbeschlusses vom Zweck dieser Verfahrensvorschrift nicht gefordert wird. Dies sei ferner nicht mit der Konzeption des § 25 BetrVG zu vereinbaren.
Bereits im Juli 2013 hatte der 1. Senat des BAG eine entsprechende Anfrage (1 ABR 2/13 (A)) an den 7. Senat des BAG gerichtet. Dem Abweichungsersuchen folgte der 7. Senat des BAG mit Beschluss vom 22.01.2014 (7 AS 6/13). Einer Entscheidung des Großen Senats des BAG bedurfte es daher nicht mehr.
Zur Begründung der Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung führt das BAG u.a. aus, dass ein Betriebsratsmitglied, das eine bestimmte Tagesordnung für unwichtig erachte, keinen Schutz davor verdiene, dass die anwesenden Betriebsratsmitglieder einen weiteren Tagesordnungspunkt einstimmig auf die Tagesordnung setzen. Ferner wird ausgeführt, dass das Betriebsverfassungsgesetz davon ausgehe, dass ein Betriebsratsmitglied ungeachtet der Themen einer Betriebsratssitzung für sich entscheiden soll, ob es wegen anderweitiger Pflichten an der Teilnahme an einer Sitzung des Betriebsrats gehindert sei; es gebe keine wesentlichen oder unwesentlichen Beschlüsse des Betriebsrats.
Hinweise von Rechtsanwältin Astrid Siebert:
Die von dem BAG nunmehr vollzogene Rechtsprechungsänderung ist sowohl aus dogmatischer als auch aus praktischer Sicht zu begrüßen. Bislang wurden Ersatzmitgliedern des Betriebsrats betriebsverfassungsrechtliche Rechte und Pflichten abgesprochen, ohne dass dies anhand der Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes nachzuvollziehen gewesen wäre. Dies hat in der Praxis immer wieder zu Irritationen geführt. In der Vergangenheit war es in größeren Betriebsräten teilweise kaum möglich, kurzfristig wirksame Beschlüsse zu fassen. Beispielsweise im Rahmen von Anhörungen zu personellen Maßnahmen (§§ 99 ff. BetrVG) oder Kündigungen (§§ 102 f. BetrVG) ist dies jedoch häufig notwendig, da das Gesetz hier kurze Fristen vorsieht.
1 ABR 2/13
1 ABR 2/13 (A)
7 AS 6/13
1 ABR 2/13
1 ABR 2/13 (A)
7 AS 6/13
1 ABR 2/13
1 ABR 2/13 (A)
7 AS 6/13
1 ABR 2/13
1 ABR 2/13 (A)
7 AS 6/13
1 ABR 2/13
1 ABR 2/13 (A)
7 AS 6/13