BAG: Arbeitnehmer Vorsicht: Lohnzahlung über das Konto der Arbeitgeber-Ehefrau kann zur Insolvenzanfechtung führen

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in seiner Entscheidung vom 13.11.2014 mit einem Fall zu befassen, in dem der Arbeitnehmer seinen Arbeitslohn nicht direkt über das Bankkonto des Arbeitgebers, sondern plötzlich über das Konto der Ehefrau des Arbeitgebers überwiesen erhielt.

Nachdem der Arbeitgeber in Insolvenz geriet, machte dessen Insolvenzverwalter

einen Anspruch auf Rückzahlung "auf Grund Insolvenzanfechtung des über das Konto der [Ehefrau] gezahlten Arbeitsentgelts" für den betreffenden Gehaltsauszahlungszeitraum gegen den Arbeitnehmer geltend. Konkret ging es im betreffenden Fall um die Rückforderung einer Zahlung von 1.776,30 € netto.

Auch wenn das BAG den Fall nicht endgültig entschied, sondern an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zur erneuten Verhandlung zurückverwies, sind seine Ausführungen gleichwohl schon jetzt von Interesse:

Im Mittelpunkt des Falles stand die Frage, ob der Insolvenzverwalter wegen sog. "inkongruenter Deckung" zur Rückforderung (Insolvenzanfechtung) der Lohnzahlung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) berechtigt war.

Insoweit sei zur Erläuterung mitgeteilt, dass die InsO zahlreiche sog. Anfechtungtatbestände enthält (§§ 129 ff. InsO). Diese berechtigten den Insolvenzverwalter – bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – Leistungen des Insolvenzschuldners (hier also des insolventen Arbeitgebers) zurückzufordern. Ziel ist es, dass durch diese Rückzahlungen solche Mittel wieder der Insolvenzmasse zugeführt werden, die unter – verkürzt formuliert: – "verdächtigen" Umständen aus der Insolvenzmasse abgeflossen wird.

Im Sprachgebrauch der InsO bezeichnet man den entsprechenden Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr als sog. Insolvenzanfechtung.

§ 131 InsO regelt dabei die Voraussetzungen der sog. Anfechtung wegen "inkongruenter Deckung". Unter inkongruent versteht das Gesetz, dass der Insolvenzgläubiger (hier der Arbeitnehmer) eine Leistung erhalten hat, die er "nicht oder nicht in dieser Art oder nicht zu dieser Zeit" beanspruchen durfte.

Wenn nun diese Leistung im zeitlichen Nahbereich (ab 3 Monate vorher) zum Antrag auf Insolvenzeröffnung erfolgte und der Schuldner – im Falle des Abs. 1 Nr. 2 – zahlungsunfähig war, hat der Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Rückgewähr auch von Gehaltszahlungen.

Das BAG bejahte nun im vorliegenden Fall eine "inkongruente" Deckung:

Denn der Arbeitnehmer habe im konkreten Falle die Zahlung nicht in der "gewöhnlichen" Art, also über das "Firmenkonto" des Arbeitgebers, sondern auf einem abweichenden (inkongruenten) Weg, eben über das Konto eines Dritten, nämlich der Ehefrau des Arbeitgebers, erhalten.

Dieser war nämlich zuvor das zur Gehaltsauszahlung erforderliche Geld vom Firmenkonto zur Verfügung gestellt worden.

Die Zahlung wurde also "umgeleitet", worin das BAG die "für die Annahme der Inkongruenz erforderliche erhebliche Abweichung vom vereinbarten Erfüllungsweg" sah (BAG, Urt. v. 13.11.2014, Az. 6 AZR 869/13).

Hinweise von Rechtsanwalt Michael Kügler:

Die vorliegende Entscheidung macht deutlich, dass es für Arbeitnehmer riskant ist, wenn sie in einer wirtschaftlichen Krise des Arbeitgebers Gehaltszahlungen über Dritte erhalten.

Denn nach dem BAG sind auch mittelbare Zuwendungen im Allgemeinen so zu behandeln, als habe der befriedigte Gläubiger unmittelbar vom Schuldner erhalten.

Gerade im vorliegenden Fall, in dem der Arbeitgeber sogar die Geldmittel noch seinem Firmenkonto entnehmen und auf das Privatkonto der Ehefrau umleiteten konnte, galt dies für das BAG um so mehr. Der Einwand des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber in diesem Fall eigentlich ja sogar noch zu einer direkten Zahlung imstande gewesen wäre, änderte für das BAG hieran nichts: Solchen hypothetischen Erwägungen maß das BAG keine Bedeutung zu.

 

 

 

 

 

 

 

 

Aktenzeichen:

6 AZR 869/13