BAG: Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit Auslauffrist bei tariflicher Unkündbarkeit

Die Beklagte gehört einem Konzern an, in dem insgesamt über 2000 Arbeitnehmer beschäftigt werden. Die Beklagte beschloss im Jahr 2008, die Aufgaben zweier Tätigkeitsbereiche weitgehend an ein Drittunternehmen zu vergeben und ab dem 01.07.2009 nicht nur durch eigene Mitarbeiter ausführen zu lassen. Der Kläger war tariflich nicht mehr ordentlich kündbar. Gleichwohl sprach die Beklagte mit Schreiben vom 09.12.2008 gegenüber dem Kläger eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 31.07.2009 aus. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Eine betriebsbedingte Kündigung kann gegenüber tariflich unkündbaren Mitarbeitern im Regelfall nicht ausgesprochen werden. Eine Ausnahme kommt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes aber dann in Betracht, „wenn die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anderenfalls trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung entgegenstünde“.

Ein solcher Grund lag mit der Beauftragung des Drittunternehmens nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts vor. Die zu Grunde liegende unternehmerische Entscheidung sei gerichtlich lediglich darauf zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Ferner sei zu prüfen, ob die Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis entfallen sei. Die Arbeitsgerichte seien aber nicht dazu berufen, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ Unternehmenspolitik vorzuschreiben und damit in seine Kostenkalkulation einzugreifen. Das gelte auch für die Fälle, in denen aufgrund einer solchen unternehmerischen Outsourcing-Maßnahme die Arbeitsplätze tariflich unkündbarer Mitarbeiter entfielen.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat aufzuklären, ob es für den Kläger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gegeben habe. Anders als bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reiche es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei in Folge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich. Vielmehr müsse der Arbeitgeber bei einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung von sich aus dartun, dass und deshalb keinerlei Möglichkeiten bestehen, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen. Dabei seien auch die Möglichkeiten einer Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen sowie einer Umschulung zu berücksichtigen. Diese höhere Darlegungslast sei die Folge des höheren tariflichen Bestandschutzes. (BAG vom 22.11.2012, 2 AZR 673/11)

Aktenzeichen:

2 AZR 673/11