BAG: Belehrung nach gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX für betriebliches Eingliederungsmanagement erforderlich

Das Bundesarbeitsgericht hat die Anforderungen an Art und Weise der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements klargestellt und verdeutlicht, dass ein ordnungsgemäßes Angebot des Arbeitgebers zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auch die Belehrung des Mitarbeiters über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements und über Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten erfordert.

Der im Jahr 1974 geborene Kläger war seit dem Jahr 1998 als Lager- und Logistikarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Nachdem der Kläger im Jahr 2005 an 46 Arbeitstagen, im Jahr 2006 an 24 Arbeitstagen, im Jahr 2007 an 70 Arbeitstagen und bis zum 30.05.2008 an 47 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt war, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 30.05.2008 die ordentliche krankheitsbedingte Kündigung und stützte diese auf häufige Kurzerkrankungen. Nachdem das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben hatte, wurde die Klage vom Landesarbeitsgericht auf Grund der von der Beklagten erhobenen Berufung abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hob das Urteil des Landesarbeitsgerichtes wieder auf.

Die Revision war bereits deshalb begründet, weil das Landesarbeitsgericht keinen den gesetzlichen Anforderungen genügenden Tatbestand enthielt. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde sei ein völliges Absehen von der Darstellung des Tatbestandes bei Berufungsurteilen nur dann möglich, wenn ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden sei.

Das Bundesarbeitsgericht verwies die Angelegenheit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück. Dabei wies das BAG auf die Bedeutung der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung hin. So stelle das BEM eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar, weil mit seiner Hilfe mildere Mittel gegenüber einer Kündigung erkannt und entwickelt werden könnten. Wenn trotz der Voraussetzungen zur Durchführung eines BEM ein solches nicht durchgeführt wurde, dürfte sich der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze. Vielmehr habe der Arbeitgeber von sich aus etwaig denkbare oder vom Arbeitnehmer bereits genannte Einsatzmöglichkeiten zu prüfen und detailliert darzulegen, weshalb weder eine leidensgerechte Umgestaltung des bisherigen Arbeitsplatzes noch die Beschäftigung auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz möglich sei. Erst wenn der Arbeitgeber insoweit vorgetragen habe, müsse der Arbeitnehmer sich auf diesen Vortrag substantiiert einlassen und darlegen, weshalb eine leidensgerechte Beschäftigung möglich sei.

Gleiches gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber trotz der gesetzlichen Voraussetzungen ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt hat. Wurde das BEM mangels Einwilligung des Arbeitnehmers durchgeführt, entlastet das den Arbeitgeber nur dann, wenn dieser den Arbeitnehmer zuvor gem. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX belehrt und diesen darauf hingewiesen habe, welche Ziele mit dem BEM verfolgt würden und welche Daten dafür erhoben und verwendet würden. Verzichtet der Arbeitgeber auf eine solche Belehrung, habe er den Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß zur Zustimmung zur Durchführung eines BEM aufgefordert.

Wird vor Ausspruch einer Kündigung ein BEM nicht durchgeführt, so bleibt dieses mithin nur dann ohne Auswirkungen auf das Kündigungsschutzverfahren, wenn der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung der Durchführung des BEM nicht zustimmt.

Das BAG weist schließlich noch daraufhin, dass ein BEM möglicherweise kein positives Ergebnis erbracht hätte. Wenn dieses der Fall sei, dürfe dem Arbeitgeber zum Unterlassen eines BEM kein Nachteil erwachsen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das BEM unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trage allerdings wiederum der Arbeitgeber. Dazu müsse der Arbeitgeber substantiiert vortragen, weshalb weder eine leidensgerechte Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes noch die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz bei etwaig geänderten Arbeitsbedingungen möglich sei. (BAG vom 24.03.2011 – 2 AZR 170/10)

Aktenzeichen:

2 AZR 170/10