BAG: Betriebsparteien können dritte Unternehmen nicht verpflichten
Eine Betriebsvereinbarung, die zwischen einem Arbeitgeber und seinem Gesamtbetriebsrat anlässlich der Überleitung von Beschäftigten zu einem anderen Unternehmen vereinbart wird, bindet das aufnehmende Unternehmen nicht.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging zum 01. Juli 2006 auf die I GmbH, Tochtergesellschaft der B GmbH & Co. OHG über. Am 31. Mai 2006 hatte die B GmbH & Co OHG mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat eine Vereinbarung geschlossen, in der unter anderem folgendes geregelt ist:
2. Nachteilsausgleich bei betriebsbedingter Kündigung
Aus heutiger Sicht sind keine betriebsbedingten Kündigungen vorgesehen.
(…)
Sollte es jedoch in M dennoch vor dem 30.09.2008 zu betriebsbedingten Kündigungen/Aufhebungsverträgen zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bei I kommen, erhalten Mitarbeiter, die aus I ausscheiden ohne gleichzeitig in den Ruhestand zu gehen, von I eine Abfindung auf Basis des Bruttomonatseinkommens im Übertrittszeitpunkt nach der am jeweiligen Standort derzeit (Stand: 30.05.2006) bestehenden/letztgültigen S/B-Sozialplanregelung (…)
Über das Vermögen der I GmbH wurde mit Wirkung zum 01.01.2007 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter und hat mit dem Kläger einen Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum 28.02.2007 vereinbart. Der Kläger verlangt nun Feststellung eines Abfindungsanspruches in Höhe von 44.722,47 € zur Insolvenztabelle.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Vereinbarung über die Zahlung einer Abfindung durch die I GmbH ist zwischen der B GmbH & Co. OHG und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat abgeschlossen worden. Diesem fehlte jedoch die Regelungskompetenz, Zahlungsverpflichtungen der I GmbH zu begründen.(BAG vom 11.01.2011 – 1 AZR 375/09)
Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto:Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes verweist auf ein Problem, welches sich immer wieder bei Vereinbarungen zur Überleitung von Beschäftigten zu anderen Unternehmen ergibt. Regelmäßig wollen Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat des abgebenden Unternehmens mit ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung abschließen, die eine Sicherung der Beschäftigungsbedingungen der betroffenen Beschäftigten beim aufnehmenden Unternehmen zur Folge hat. Wie das Bundesarbeitsgericht erneut klargestellt hat, können aber durch eine Vereinbarung des alten Arbeitgebers mit seinem Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat keine Verpflichtungen zu Lasten des aufnehmenden Unternehmens geschlossen werden. Das gilt regelmäßig auch dann, wenn es sich bei dem aufnehmenden Unternehmen um ein Konzernunternehmen handelt.
In der Praxis versucht man sich manchmal damit zu behelfen, dass auch das aufnehmende Unternehmen die Vereinbarung ebenfalls als Partei unterzeichnet.
Die Wirksamkeit eines solchen Vorgehens hängt jedoch einerseits vom Rechtscharakter der Vereinbarung und andererseits vom Zeitpunkt ab, zu dem die Vereinbarung abgeschlossen wird.
Handelt es sich bei der Vereinbarung um eine Betriebsvereinbarung, die vor Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber abgeschlossen wird, nützt die Unterschrift des aufnehmenden Unternehmens nichts, da der Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zum aufnehmenden Unternehmen hat. Ein Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat ist nicht generell rechtsfähig, sondern kann lediglich insoweit handeln, soweit das Betriebsverfassungsgesetz dieses zulässt. Betriebsvereinbarungen kann ein Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat aber immer nur mit dem eigenen Unternehmen abschließen.
Der Betriebsrat/Gesamtbetriebsrat könntenachÜberleitung der Beschäftigten jedoch möglicherweise ein Übergangsmandat auszuüben haben. Wenn das der Fall sein sollte, könnte dann eine entsprechende Vereinbarung mit dem Erwerberunternehmen abgeschlossen werden. Allerdings ist dieser Zeitpunkt für die meisten Betriebsräte/Gesamtbetriebsräte zu spät, weil sie vor der Überleitung der Arbeitsverhältnisse Sicherheit haben wollen, dass die Beschäftigten den entsprechenden Schutz genießen können.
Als Alternative bleibt schließlich noch der Abschluss einesVertrages zu Gunsten Dritter.Das Erwerberunternehmen könnte die entsprechende Überleitungsvereinbarung als Vertragspartner eines Vertrages zu Gunsten Dritter unterzeichnen. Es sollte dann aber in der Vereinbarung klargestellt werden, dass es sich insoweit – zumindest auch – um einen solchen Vertrag zu Gunsten Dritter handelt. Ferner sollte ein Mitglied des Betriebsrates nicht für den Betriebsrat – der auf Grund seiner beschränkten Rechtsfähigkeit keinen Vertrag zu Gunsten Dritter abschließen kann – sondern als „Versprechensempfänger für den Vertrag zu Gunsten Dritter“ die Vereinbarung unterzeichnen.
1 AZR 375/09