BAG: Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Die Parteien streiten um Entgeltfortzahlung einschließlich eines sogenannten Fahrgeldes sowie um die Erteilung einer Entgeltabrechnung. In erster Instanz war die Arbeitgeberin u.a. wie folgt verurteilt worden:
„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Bruttogehalt für den Monat Februar 2019 einen Betrag von 1.334,54 €, zzgl. eines Betrages von 145,36 € für Fahrgeld, abzüglich des bereits bezahlten Betrages von 591,57 € nebst Verzugszinsen von 5% Punkten über dem Basiszinssatz seit 15.03.2019 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine korrigierte Abrechnung für Februar 2019 in Höhe von 1.334,54 € brutto unter Berücksichtigung der Lohnsteuerklasse 1 und keinem Kinderfreibetrag zu erteilen.“
Die Berufungsinstanz bestätigte den Zahlungsanspruch, wies aber den Anspruch auf Entgeltabrechnung zurück. In der Revision unterliegt die Klägerin jetzt vollständig mit ihrem Klagebegehren.
Wesentlich ist nach Einschätzung des BAG, dass die Klägerin am Tag ihrer Eigenkündigung eine als Erstbescheinigung gekennzeichnete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hatte. Im vorliegenden Fall sei der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert, weil diese genau die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses nach der Eigenkündigung der Klägerin abdecke. Dadurch sei der Beweiswert der AU erschüttert. Deshalb hätte die Klägerin nunmehr substantiiert darlegen und beweisen müssen, dass sie arbeitsunfähig war. Ein solcher Beweis könne insbesondere durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht erfolgen, sei hier aber nicht erbracht worden.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Immer wieder steht der Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Streit. Dies vor allem dann, wenn die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im unmittelbaren Zusammenhang mit vorherigen arbeitgeberseitigen Maßnahmen steht. Wichtig ist, dass es auch nach dieser Entscheidung dabei bleibt, dass der Nachweis einer Arbeitsunfähigkeit erst einmal durch die Vorlage der Bescheinigung als erbracht gilt und durch den Arbeitgeber den Beweiswert durch konkrete Tatsachen erschüttern muss. Die Entscheidung dient insofern der Präzisierung der wechselseitigen gestuften Darlegungs- und Beweislast.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen
5 AZR 149/21
Datum der Entscheidung
08.09.2021