BAG: Bindung des Arbeitgebers an tarifliche Entgeltordnung nach Ende des Tarifvertrags

Ein Arbeitgeber bleibt nach dem Ende des Tarifvertrages betriebsverfassungsrechtlich solange an die tarifliche Entgeltordnung gebunden, bis unter Mitwirkung des Betriebsrates eine andere Entgeltordnung vereinbart wurde. Das gilt nach Auffassung des BAG auch für Neueinstellungen.

Die Arbeitgeberin hatte in einem Haustarifvertrag hinsichtlich der Eingruppierungen auf den BAT Bezug genommen und mit allen nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern einzelvertraglich die Anwendbarkeit des Haustarifvertrages vereinbart. Mit Wirkung zum 31.12.2003 kündigte die Arbeitgeberin den Haustarifvertrag. Neu eingestellte Mitarbeiter wurden von der Arbeitgeberin seither nur noch im Ausnahmefall in den BAT eingruppiert.

Mit Schreiben vom 17.05.2006 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Einstellung einer Arbeitnehmerin und beantragte dessen Zustimmung. Dabei wurde unter der Rubrik „vorgesehene Eingruppierung“ lediglich „monatliche Festvergütung“ eingetragen. Nachdem der Betriebsrat die Arbeitgeberin erfolglos aufgefordert hatte, die Mitarbeiterin in eine Vergütungsgruppe des Haustarifvertrages einzugruppieren, leitete er ein Beschlussverfahren ein und stellte einen entsprechenden Antrag.

Der Betriebsrat hat in allen drei Instanzen obsiegt. Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) ausführt, hat der Betriebsrat in entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG einen Anspruch darauf, dass die Arbeitgeberin über die Eingruppierung der Arbeitnehmerin entscheidet, die Zustimmung des Betriebsrates dazu beantragt und im Falle der Zustimmungsverweigerung die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen lässt.

Die Arbeitgeberin hielt die Entgeltordnung nicht mehr für anwendbar, weil der Haustarifvertrag geendet habe. Aufgrund des Endes des Haustarifvertrages habe sie ohne Zustimmung des Betriebsrates mit neu eingestellten Mitarbeitern einzelfallbezogene Gehaltsvereinbarungen treffen dürfen.

Das BAG hat diese Argumentation zurückgewiesen. Die kraft Tarifbindung des Arbeitgebers im Betrieb geltenden Grundsätze einer tariflichen Vergütungsordnung bleiben auch nach dem Wegfall der Tarifbindung das für den Betrieb maßgebliche kollektive Entgeltschema. Dieses habe zwar keine zwingende Wirkung, eine Änderung dieses Entgeltschemas unterliege gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG aber dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates. Der Betriebsrat habe deshalb bei jeder Änderung der Entlohnungsgrundsätze mitzubestimmen. Eine solche mitbestimmungspflichtige Änderung der Entlohnungsgrundsätze liege auch dann vor, wenn der Arbeitgeber sich entschließe, die bisherigen Grundsätze nach dem Wegfall der Tarifbindung nicht mehr anzuwenden. Auch eine solche völlige Abkehr von einer tariflichen Vergütungsordnung unterliege dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.

Indem die Arbeitgeberin mit neu eingestellten Arbeitnehmern einzelfallbezogene Vergütungsabsprachen getroffen habe, habe sie die Entlohnungsgrundsätze geändert. Das unterliege aber dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates, der seine Zustimmung zu einer Änderung nicht erteilt habe. Deshalb gelte die tarifliche Vergütungsordnung fort, bis betriebsverfassungsrechtlich etwas anderes vereinbart wurde. (BAG vom 14.04.2010 – 7 ABR 91/08)

Aktenzeichen:

7 ABR 91/08