BAG: Bindung eines nichtkirchlichen Betriebserwerbers
Das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt, dass die mit einem kirchlichen Arbeitgeber vereinbarte Inbezugnahme kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen im Fall eines Betriebsübergangs als vertragliche Regelung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch gegenüber einem weltlichen Betriebserwerber ihre Wirkung behält.
Dabei sei im Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes regelmäßig davon auszugehen, dass ein Vertragsgegenstand einer möglicherweise auch verschlechternden Abänderung durch Betriebsvereinbarung unterliegt, wenn er in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat (sog. „Betriebsvereinbarungsoffenheit”).
Eine Ausnahme müsse jedoch dann gelten, wenn die Arbeitsverträge mit einem kirchlichen Träger geschlossen wurden, weil das Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen findet. In dem nunmehr entschiedenen Fall war die Klägerin seit dem 1. September 1986 in einem evangelischen Krankenhaus beschäftigt. Der Vertrag enthielt eine AVR-Einbeziehungsklausel wie folgt:
„§ 2 Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. Sie sind als Anlage beigefügt.“
Später ging das Beschäftigungsverhältnis auf eine nicht tarifgebundene Tochtergesellschaft über. Ab diesem Zeitpunkt wandte die Beklagte die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW EKD) in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung nur noch statisch an.
Am 15. Oktober 2006 schloss die Beklagte dann mit dem zwischenzeitlich gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Vergütungsstruktur. Im Jahr 2010 trat die Beklagte aus dem Diakonischen Werk aus.
Danach stritten die Parteien, ob die Klägerin einen Anspruch auf dynamische Fortgeltung der Eingruppierung nach den AVR Diakonie geltend machen kann, was der BGH nunmehr in letzter Instanz bestätigt hat.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Ausgliederungen durch kirchliche Rechtsträger und damit ein Verlassen des Dritten Weges gehören bedauerlicher Weise noch immer zum Alltag und finden insbesondere in Servicegesellschaften als Tochtergesellschaften kirchlicher Rechtsträger vielfache Anwendung.
Das BAG hat nunmehr bestätigt, dass zwar das Arbeitsverhältnis mit einem weltlichen Arbeitgeber so gestaltet werden kann, dass die Regelungen einer Abänderung durch betriebliche Normen unterliegen. Eine solche Vereinbarung kann ausdrücklich oder bei entsprechenden Begleitumständen konkludent erfolgen und ist namentlich bei betrieblichen Einheitsregelungen und Gesamtzusagen möglich. Hiervon ist regelmäßig auszugehen, wenn der Vertragsgegenstand in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und einen kollektiven Bezug hat.
Diese Grundsätze gelten aber nicht für einen mit einem kirchlichen Träger geschlossenen Arbeitsvertrag, der formularmäßig kirchliches Arbeitsrecht in Bezug nimmt. Diese Verträge sind grundsätzlich nicht betriebsvereinbarungsoffen, weil das Betriebsverfassungsgesetz gemäß § 118 Abs. 2 BetrVG keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen – unbeschadet deren Rechtsform – findet. Diese Klarstellung bedeutet einen wichtigen Schutz für die vom Betriebsübergang in nichtkirchlichen Gesellschaften betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
6 AZR 40/17
Datum der Entscheidung:
11.07.2019