BAG: Das Geschlecht der Lehrkraft ist keine zulässige berufliche Anforderung im Sportunterricht
Entsprechend den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) stellt das Geschlecht der Lehrkraft grundsätzlich keine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG dar. Ein ordnungsgemäßer Sportunterricht bei Mädchen setzt damit nicht voraus, dass die Lehrkraft ebenfalls weiblich ist.
Zu dieser Feststellung kommt das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 19.12.2019 – 8 AZR 2/19, zu der bislang nur die Pressemitteilung Nr. 48/19 veröffentlicht ist. Folgender Sachverhalt liegt zugrunde:
Der männliche Kläger hatte sich am 13.06.2017 bei der Beklagten, einer genehmigten Privatschule in Bayern, auf die ausgeschriebene Stelle Fachlehrerin Sport (w) beworben. Unter dem 19.06.2017 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage mit der Begründung, es werde lediglich eine weibliche Sportlehrkraft für die Mädchen der Oberstufe gesucht.
Der Kläger sieht sich hier wegen seines Geschlechts benachteiligt und machte klageweise eine Entschädigungszahlung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 13.500 EUR geltend. So sei die Tätigkeit eines Sportlehrers geschlechtsneutral. Ein Bademeister sei im Rahmen seiner Tätigkeit ja auch angehalten, weibliche und nicht nur männliche Badegäste zu retten. Ginge man davon aus, dass es zulässig sei, wenn weibliche Schüler nur von weiblichen Sportlehrern unterrichtet werden, dürfe es auch keinen männlichen Frauenarzt und keinen männlichen Masseur geben, so der Kläger. Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte die Klage keinen Erfolg. Das LAG verwies darauf, dass eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts zwar offenkundig vorliege, diese jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt sei. Nunmehr hatte sich auch das BAG mit dieser Frage zu beschäftigen.
Gemäß § 8 AGG kann eine unterschiedliche Behandlung wegen beruflichen Anforderungen zulässig sein. In Abs. 1 heißt es dazu:
„Eine unterschiedliche Behandlung wegen [des Geschlechts] ist zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.“
Das BAG geht davon aus, dass dem Kläger dem Grunde nach gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG zusteht. Die Beklagte habe nicht darstellen können, dass vorliegend das Geschlecht der Lehrkraft eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für den Sportunterricht sei. Damit hat das BAG den Ausführungen des LAG eine Absage erteilt, das noch davon ausgegangen war, dass das Geschlecht bei Sportlehrern ein Merkmal darstelle, von dem die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit, also vor allem des Sportunterrichts, abhänge. Denn anders als bei den außerhalb des Sports bestehenden Lehrfächern sei der Sportunterricht durch besondere Körperlichkeit geprägt. Gerade bei erforderlichen Hilfestellungen erstrecken sich diese zum Beispiel beim Turnen auch auf das Gesäß, so das LAG. Zudem präge sich bei Mädchen regelmäßig das Schamgefühl ab Beginn der Pubertät stärker aus, weshalb körperliche Berührungen durch das andere Geschlecht schneller als unangemessen empfunden werden können und Berührungen eine Bedeutung zugemessen werden kann, die weder beabsichtigt noch objektiv über den Zweck der Hilfestellung hinausgehen.
Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:
Da bislang die Gründe der Entscheidung des BAG vom 19.12.2019 nicht veröffentlicht worden sind, bleibt mit Spannung abzuwarten, wie der 8. Senat den durchaus nachvollziehbaren Ausführungen des LAG entgegentreten wird. Die Frage, wann das Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, gewinnt letztlich auch durch das Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 18.12.2018 erheblich an Bedeutung. Danach haben seit Ende 2018 intersexuelle Menschen in Deutschland die Möglichkeit, beim Eintrag ins Personenstandsregister außer den Geschlechtern männlich und weiblich auch die Option divers zu wählen. Damit gehört Deutschland zu den wenigen Staaten weltweit, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern rechtlich anerkennen. Im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist damit vor allem der Diskriminierungsschutz im Arbeitsleben anzupassen. Vor diesem Hintergrund stellt sich bereits die Frage, wie das LAG bzw. das BAG im vorliegenden Fall entschieden hätten, wenn der Kläger nicht etwa männlichen, sondern diversen Geschlechts gewesen wäre.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
8 AZR 2/19
Datum der Entscheidung:
19.12.2019