BAG: Das in § 87 Abs. 2 BetrVG geregelte Verfahren zur Konfliktlösung kann nicht durch Spruch der Einigungsstelle abgeändert werden.
Die in einem Klinikum zur Regelung der Arbeitszeit eingerichtete Einigungsstelle hatte für das Verfahren zur Zustimmung des Betriebsrats zu den einzelnen Dienstplänen in einem Spruch eine Betriebsvereinbarung beschlossen, die u.a. folgende Regelungen enthielt:
§ 4 Beteiligung des Betriebsrates
- Dem Betriebsrat werden die Dienstpläne für die kommende Planungsperiode bis zum 15. Kalendertag des Vormonats durch den Arbeitgeber übermittelt. Soweit der 15. auf einen Wochenend- oder Feiertag fällt erfolgt die Übermittlung am nächsten Werktag (Montag bis Freitag).
- Äußert sich der Betriebsrat nicht innerhalb einer Woche im laufenden Monat zu einem vorgelegten Dienstplan, gilt dieser Dienstplan mit seinen freien Tagen als verbindlich (Sollarbeitsplan).
- Der Betriebsrat kann einem Dienstplan schriftlich oder in Textform (…) unter Angabe der für den Widerspruch maßgeblichen Gründe (…) widersprechen.Der Betriebsrat hat dabei anzugeben, welche konkrete im Dienstplan vorgesehene Einteilung er aus welchem Grund ablehnt. Widerspricht der Betriebsrat einem Dienstplan, hat zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Kalendertagen (fällt der letzte Tag auf einen Sonn- oder Feiertag, am darauf folgenden Werktag (Montag – Freitag)) nach Eingang des Widerspruchs beim Arbeitgeber eine gesonderte Erörterung mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung des Dienstplans für den betreffenden Folgemonat stattzufinden (Erörterungsfrist).
- Kommt eine einvernehmliche Regelung bis zum Ablauf der Erörterungsfrist nicht zustande, ist die Einigungsstelle mit je einem innerbetrieblichen Beisitzer für die Entscheidung zuständig. Als Vorsitzender ist ein Berufsrichter der niedersächsischen Arbeitsgerichtsbarkeit zu benennen. Das Benennungsrecht steht den Betriebsparteien abwechselnd zu, beginnend mit der Gesellschaft. Es dürfen keine Beisitzer und kein Vorsitzender benannt werden, die für die Tätigkeit in der Einigungsstelle nicht sofort zur Verfügung stehen.
Die Einigungsstelle ist unverzüglich, spätestens binnen zwei Werktagen (…) nach Ablauf der Erörterungsfrist anzurufen.
Das Bundesarbeitsgericht hielt die Regelungen von § 4 Ziff. 2 bis 4 im Rahmen einer durch den Betriebsrat erfolgten Anfechtung des Spruchs für unzulässig, weil sie der Bestimmung von § 87 Abs. 2 BetrVG widersprächen. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
§ 87 BetrVG
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
(…)
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Von dieser Bestimmung weiche die durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Betriebsvereinbarung ab. Diese sieht vor, dass die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gilt, wenn er nicht binnen Wochenfrist unter Wahrung der in § 4 Ziff. 3 der Betriebsvereinbarung genannten Formvorschriften dem vom Arbeitgeber vorgelegten Dienstplanentwurf widerspricht. § 87 Abs. 2 BetrVG sieht aber weder vor, dass der Betriebsrat im Bereich der durch § 87 Abs. 1 BetrVG geregelten Mitbestimmungsrechte binnen einer bestimmten Frist antworten noch dass ein etwaiger Widerspruch des Betriebsrats einer bestimmten Form genügen müsse. Auch sei die in § 4 Ziff. 2 vorgesehene Zustimmungsfiktion, nach der die Zustimmung des Betriebsrats als erteilt gelte, wenn er nicht binnen Wochenfrist dem Entwurf eines Dienstplans widerspreche, sei mit der Regelung von § 87 Abs. 2 BetrVG nicht zu vereinbaren. Die Vorgaben von § 87 Abs. 2 BetrVG seien aber zwingend und könnten nicht durch einen Spruch der Einigungsstelle abgeändert werden.
Das BAG hielt auch die Bestimmung von § 4 Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung für unwirksam. Mit dieser Bestimmung wird die Zusammensetzung der Einigungsstelle geregelt. Damit weicht die Betriebsvereinbarung von der Bestimmung von § 76 Abs. 2 BetrVG ab, die folgenden Wortlaut hat:
§ 76 BetrVG
(2) Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn das Arbeitsgericht. Dieses entscheidet auch, wenn kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt wird.
Die gesetzliche Regelung gibt den Betriebsparteien auf, ein Einvernehmen über die Person des oder der Vorsitzenden und die Anzahl der Beisitzer zu erzielen. Wenn das nicht gelingt, kann jede Betriebspartei das Arbeitsgericht anrufen, welches diese Fragen entscheidet. Von dieser gesetzlichen Regelung weicht die Bestimmung von § 4 Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung ab. Damit hat die Einigungsstelle auch an dieser Stelle ihre Regelungskompetenz überschritten. (BAG v. 09.07.2013, 1 ABR 19/12)
1 ABR 19/12