BAG: Erneute sachgrundlose Befristung bei früherem Arbeitsverhältnis nach Unterbrechung von mehr als drei Jahren möglich
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes soll eine erneute sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses trotz eines früheren Arbeitsverhältnisses möglich sein, wenn ein Zeitraum von mehr als drei Jahren vergangen ist.
Die Bestimmung von § 14 Abs. 2 TzBfG erlaubt die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Höchstdauer von zwei Jahren. Ausgeschlossen ist nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eine sachgrundlose Befristung allerdings dann,
„wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“
Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr entschieden, dass dieses nur eingeschränkt gelten soll.
Die Klägerin war von November 1999 bis Januar 2001 insgesamt 50 Stunden als studentische Hilfskraft für den beklagten Freistaat tätig. Später wurde sie für die Zeit vom 1. August 2006 bis zum 31. Juli 2008 als Lehrerin aufgrund eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages eingestellt. Mit ihrer Klage wehrte sie sich gegen die Wirksamkeit der Befristung und verwies dabei auf ihre frühere Beschäftigung als studentische Hilfskraft.
Das Bundesarbeitsgericht hat das Begehren der Klägerin letztinstanzlich zurückgewiesen. Zwar habe die Klägerin bereits vor Abschluss des befristeten Arbeitsverhältnisses ein anderes Arbeitsverhältnis als studentische Hilfskraft mit dem Freistaat gehabt. Dieses sei jedoch nicht zu berücksichtigen. Eine an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierte verfassungskonforme Auslegung gebiete eine Einschränkung des Wortlautes. Das Ziel der gesetzlichen Bestimmung bestehe darin, Befristungsketten und den Missbrauch befristeter Arbeitsverträge zu verhindern. Allerdings könne das Verbot des Abschlusses befristeter Arbeitsverhältnisse auch zu einem Einstellungshindernis werden. Deshalb dürfe die Bestimmung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nur insoweit zur Anwendung kommen, „als dies zur Verhinderung von Befristungsketten erforderlich ist“. Das sei allerdings bei lange zurückliegenden früheren Beschäftigungen typischerweise nicht mehr der Fall. Die Gefahr eine missbräuchlichen Befristungskette bestehe regelmäßig nicht mehr, „wenn zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem sachgrundlos befristeten neuen Arbeitsvertrag mehr als drei Jahre liegen“. (BAG v. 06.04.2011, 7 AZR 716/09)
Anmerkung von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes ist bemerkenswert. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut wäre der vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidende Fall einfach zu entscheiden gewesen. Nach dem Wortlaut führt jedes vorherige Arbeitsverhältnis dazu, dass ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis nicht mehr vereinbart werden darf.
Über diesen unmissverständlichen Wortlaut setzt sich das Bundesarbeitsgericht allerdings nunmehr hinweg. Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Missachtung des Gesetzeswortlautes zunächst mit der These, dass eine sachgrundlose Befristung zu einem Einstellungshindernis werden könne. Diese These dürfte allerdings statistisch nicht zu untermauern sein.
Darüber hinaus reduziert das Bundesarbeitsgericht den mit der Bestimmung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck darauf, „Befristungsketten“ zu vermeiden. Zwar führt das Bundesarbeitsgericht zunächst noch aus, dass auch der „Missbrauch befristeter Arbeitsverträge“ mit der Bestimmung vermieden werden solle; auf diesen Aspekt geht das Bundesarbeitsgericht in seiner weiteren Begründung allerdings nicht ein.
Dabei zeigt ein kurzer Blick auf die Rechtspraxis vor Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, dass neben Befristungsketten, die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden, vielfältige weitere missbräuchliche Gestaltungen festzustellen waren. So war insbesondere zu beobachten, dass ein Mitarbeiter für den höchstzulässigen Befristungszeitraum zunächst mit einem Konzernunternehmen einen befristeten Arbeitsvertrag abschloss. Rechtzeitig vor Ablauf der Befristung wurde dann ein weiteres Arbeitsverhältnis mit einem anderen Konzernunternehmen begründet. Nach Ablauf der erneuten Befristung wurde dann wieder mit dem ersten Unternehmen ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet, so dass auf diese Weise Mitarbeiter für viele Jahre ein und dieselbe Tätigkeit ausüben konnten, ohne dass dafür ein unbefristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden musste.
Dieser allseits bekannten Tatsache hat sich das Bundesarbeitsgericht allerdings verschlossen. Seine Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG lädt zu ähnlichen Umgehungsversuchen ein. Damit bedarf es nunmehr nur zweier Tochtergesellschaften eines Unternehmens, um einen Mitarbeiter langfristig im Rahmen befristeter Beschäftigungen auf ein- und demselben Arbeitsplatz einzusetzen.
7 AZR 716/09
7 AZR 716/09