BAG: Fehlen der Sollangaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung

Das Fehlen der Sollangaben nach § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG soll nicht zur Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung führen. 

 Die Arbeitgeberin beschäftigte in ihren Betrieb zwischen 20 und 60 Beschäftigte. Im Zeitraum vom 18.06.2019 bis zum 18.07.2019 sprach sie gegenüber 17 Beschäftigten eine Kündigung aus. Die Klägerin war ebenfalls von einer dieser Kündigungen betroffen. Sie hielt die Kündigung für unwirksam, weil die Arbeitgeberin gegenüber der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Massenentlassungsanzeige keine Angaben im Sinne von § 17 Abs. 3 S. 5 KSchG gemacht hatte. 

 Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht hatte die Klägerin Erfolg. Daraufhin wandte die Beklagte sich an das Bundesarbeitsgericht. 

 Nach der Bestimmung von § 17 Abs. 1 KSchG müssen Arbeitgeber bei der Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige erstatten, wenn sie 

  • in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als 5     Arbeitnehmer, 
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern zehn vom Hundert der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer, 
  • in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer 

innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen. Weitere Formalien sind in der Bestimmung von § 17 Abs. 3 KSchG geregelt. Dort heißt es in S. 4 und 5: 

 

“Die Anzeige muss Angaben über den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebes enthalten, ferner die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer. In der Anzeige sollen ferner im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für die Arbeitsvermittlung Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht werden.“ 

 

Das Bundesarbeitsgericht entschied unter Verweis auf die im Gesetz vorgesehene Unterscheidung zwischen „Mussangaben“ und „Sollangaben“, dass das Unterlassen der Sollangaben nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Die Kündigung war also nicht deshalb unwirksam, weil die Arbeitgeberin bei der Massenentlassungsanzeige keine Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer gemacht hatte. 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto :

Die Entscheidung erleichtert Unternehmen bei Massenentlassungen die Durchführung von Kündigungen. Eine Massenentlassungsanzeige kann nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes nunmehr auch dann durchgeführt werden, wenn noch nicht feststeht, wer von den Kündigungen betroffen sein wird. Damit kann die Massenentlassungsanzeige weit in das Vorfeld einer Kündigung verschoben werden. 

 Der zweite Senat des Bundesarbeitsgerichtes, der diese Entscheidung gefällt hat, weicht in seinen Begründungen von einer anderweitigen Rechtsprechung des sechsten Senates ab. Spannend wird es, wenn der sechste Senat zu einer parallelen Frage zu entscheiden haben wird. 

 

Gericht: 

BAG 

Aktenzeichen: 

2 AZR 467/21

Datum der Entscheidung: 

19.05.2022