BAG: Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist Mitglied der dbb tarifunion. Die Arbeitgeberin gehört dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. (KAV Bayern) an. Dieser hatte im Jahr 2006 mit ver.di und der dbb tarifunion gleichlautende „Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Bayern“ vereinbart. Nach Kündigung der Tarifverträge erzielte ver.di mit dem KAV Bayern am 20. August 2010 eine Einigung über einen neuen Tarifvertrag. Die Verhandlungen zwischen der dbb tarifunion und dem KAV Bayern wurden von der dbb tarifunion hingegen am 25. August 2010 für gescheitert erklärt; gleichzeitig wurde die Durchführung einer Urabstimmung über Streikmaßnahmen angekündigt. Noch am selben Tag forderte die Arbeitgeberin die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer auf, mitzuteilen, ob sie Mitglied in der GDL sind. Die GDL sah durch eine solche Frage ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit verletzt und verlangte von der Arbeitgeberin, die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer nicht mehr nach einer Mitgliedschaft in der GDL zu befragen.
Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag der GDL stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihm mit Einschränkungen entsprochen. Das BAG bestätigte die Rechtsauffassung der GDL, wies den Antrag der GDL aber aus formalen Gründen zurück. Die kollektive Koalitionsfreiheit der GDL war auch nach Auffassung des BAG durch die Befragung der Arbeitnehmer verletzt. Art. 9 Abs. 3 GG schütze als koalitionsmäßige Betätigung den Abschluss von Tarifverträgen sowie hierauf gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen. Die Antworten, die die Arbeitgeberin von ihren Arbeitnehmern verlangt hatte, hätten der Arbeitgeberin eine genaue Kenntnis vom Umfang und Verteilung des Mitgliederbestands der GDL in ihrem Betrieb verschafft. Während der laufenden Tarifauseinandersetzung mit Streikandrohung habe diese Befragung darauf abgezielt, den Verhandlungsdruck der GDL zu unterlaufen. Damit sei die Koalitionsfreiheit der GDL durch die Befragung verletzt worden. (BAG vom 18.11.2014 – 1 AZR 257/13)
Anmerkung von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erscheint schlüssig und folgerichtig. Zwar hatte die Arbeitgeberin ihre Mitarbeiterbefragung damit begründet, dass sie die mit der Gewerkschaft ver.di erzielte Tarifeinigung umsetzen wollte. Dieses Argument wurde vom BAG aber zutreffend zurück gewiesen. Wenn es der Arbeitgeberin tatsächlich um die Anwendung der Tarifeinigung mit der Gewerkschaft ver.di gegangen wäre, wäre es naheliegend gewesen, die Arbeitnehmer nach einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ver.di zu fragen und nicht nach einer Mitgliedschaft in der GDL.
1 AZR 257/13
1 AZR 257/13
1 AZR 257/13