BAG: Gleichbehandlung bei Entgelterhöhung


Der Kläger war seit dem Jahr 1994 bei der nicht tarifgebundenen Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Im Jahr 2006 bot die Beklagte den Mitarbeitern neue Arbeitserträge an, die eine Kürzung der Vergütung um 3 % und die Erhöhung der Arbeitszeit von 37,5 auf 40 Wochenstunden vorsahen. Von den damals 36 Beschäftigten nahmen 8 Mitarbeiter das Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages nicht an, darunter unter anderem der Kläger.

Zum 01.09.2007 wurden die Entgelte der Arbeitnehmer, die im Jahr 2006 neue Arbeitsverträge unterschrieben hatten, in unterschiedlichem Umfang angehoben und einem Teil dieser Arbeitnehmer eine zusätzliche Einmalzahlung in Höhe von 225,00 € gewährt. Die Vergütungen der Mitarbeiter, die im Jahr 2006 einen neuen Arbeitsvertrag vereinbart hatten, wurden zwischen 0 und 4,8 % erhöht, sodass lediglich 14 von ursprünglich 28 Betroffenen einen niedrigeren Stundenlohn als vor Abschluss des neuen Arbeitsvertrages bezogen.

Der Kläger, der von der Entgelterhöhung ausgeschlossen war, da er zur Gruppe der Mitarbeiter gehörte, die keinen neuen Arbeitsvertrag abzuschließen bereit waren, begehrte Entgelterhöhung um den tarifvertraglich vereinbarten Satz von 3,1 % und erhob Klage.

Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben und dieses im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte die Gründe für die Ungleichbehandlung der beiden Gruppen nicht bereits dann offen gelegt hatte, als der Kläger erstmals seine Gleichbehandlung verlangte.

Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes auf und verwies zur erneuten Entscheidung zurück an das Landesarbeitsgericht.

Dazu führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass das Landesarbeitsgericht zu Unrecht von einer Präklusion der Differenzierungsgründe ausgegangen sei. Die Beklagte dürfe auch noch im Gerichtsverfahren die Gründe für die Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen vorbringen.

Für die weitere Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes wies das Bundesarbeitsgericht darauf hin, dass der Zweck, bestehende Vergütungsunterschiede auszugleichen, eine Ungleichbehandlung von Mitarbeitern bei Entgelterhöhungen rechtfertigen könne, „sofern der Arbeitgeber die Nachteile der begünstigten Arbeitnehmergruppe nicht überkompensiert“. Eine solche Überkompensation hielt das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall für naheliegend, da bereits nach dem Vortrag der Beklagten 11 von 25 verbleibenden Arbeitnehmern mit neuen Arbeitsverträgen nach der Entgelterhöhung einen höheren Stundenlohn als vor Abschluss der neuen Arbeitsverträge hatten. Darüber hinaus habe die Beklagte darauf verwiesen, dass sich der Umfang der Entgelterhöhungen nach der Leistung der Arbeitnehmer gerichtet habe. Das ist vom Landesarbeitsgericht nunmehr weiter aufzuklären.

Dabei müsse die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nunmehr sämtliche Zwecke, die sie dazu bewogen habe, die Entgelterhöhung nur an die Mitarbeiter, die neue Arbeitsverträge abgeschlossen haben, offen legen. Wenn die Entgelterhöhung auch der Honorierung bestimmter Leistungen gedient habe, müsse die Beklagte ferner auch die Kriterien vortragen, nach denen sie die Entgelterhöhungen individuell gestaltete. Sie habe dann auf der Grundlage dieser Kriterien eine entsprechende Leistungsbeurteilung für den Kläger nachzuholen und darzulegen, weshalb der Kläger die Kriterien für eine leistungsabhängige Entgelterhöhung nicht erfüllt haben solle.

Wenn die Beklagte diesen umfangreichen Darlegungspflichten nicht nachkäme, könne der Kläger Gleichbehandlung mit der begünstigten Gruppe verlangen. Dabei sei, wenn die Entgelte innerhalb der begünstigten Gruppe tatsächlich in unterschiedlicher Höhe angehoben wurden – für die Entgeltanhebung des Klägers ist von einem gewichteten Durchschnittswert auszugehen.

Das Landesarbeitsgericht habe ferner zu prüfen, ob sich ein Anspruch des Klägers auf Entgelterhöhung bereits daraus ergebe, dass der Betriebsrat bei der Veränderung des Entgeltsystems möglicherweise nicht ordnungsgemäß gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG beteiligt wurde (BAG vom 23.02.2011 – 5 AZR 82/10)

Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes spricht verschiedene Probleme an, die sich im Zusammenhang mit den in verschiedenen Unternehmen in den vergangenen Jahren mit oder ohne Beteiligung des Betriebsrates zu Stande gekommenen „betrieblichen Bündnissen für – oder gegen – Arbeit“ stellen.

Im Regelfall haben sich bei solchen betrieblichen Bündnissen nicht alle Mitarbeiter bereit erklärt, eine Verschlechterung ihrer Arbeitsverträge durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages zu akzeptieren. Das hat es für Arbeitgeber verschiedentlich reizvoll erscheinen lassen, spätere Entgelterhöhungen nur der Gruppe von Beschäftigten zukommen zu lassen, die eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen zugestimmt hatten. Das Bundesarbeitsgericht hält eine solche Ungleichbehandlung jedenfalls dann für zulässig, wenn damit ausschließlich der Zweck verfolgt werden soll, bestehende Vergütungsunterschiede auszugleichen, wobei bestehende Nachteile auch nicht überkompensiert werden dürften.

Verfolgt der Arbeitgeber mit der Entgelterhöhung aber auch den Zweck, bestimmte Leistungen zu honorieren, ist eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die die neuen Arbeitsbedingungen akzeptiert haben, und solchen, die die neuen Arbeitsbedingungen nicht akzeptiert haben, nicht mehr möglich.

Bemerkenswert ist auch der Hinweis des Bundesarbeitsgerichtes darauf, dass sich aus einem Unterlassen der Beteiligung des Betriebsrates an der Veränderung der betrieblichen Entgeltordnung Ansprüche „auf Entgelterhöhung entsprechend den Tariflohnerhöhungen“ ergeben könnten. Ursprünglich galten im Betrieb die Tarifverträge der niedersächsischen Kautschukindustrie. Dass ein Arbeitgeber, der aus dem Arbeitgeberverband austritt, auch nach dem Ende des Tarifvertrages weiterhin an die tariflichen Entgelte gebunden ist, solange er mit seinem Betriebsrat keine andere Entgeltordnung vereinbart hat, ist vom Bundesarbeitsgericht bereits verschiedentlich entschieden worden. Das kann zur Folge haben, dass auch die Mitarbeiter, die eine Änderung ihrer Arbeitsbedingung individualvertraglich zugestimmt haben, gleichwohl Anspruch auf Zahlung der Tarifentgelte haben können, wenn der Betriebsrat der Änderung der Entgeltordnung nicht zugestimmt hat.

Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichtes scheint jedoch in seiner Entscheidung andeuten zu wollen, dass in solchen Fällen nicht nur die Tarifentgelte, die zum Zeitpunkt des Austrittes aus dem Arbeitgeberverband galten, zu beanspruchen sind, sondern dass darüber hinaus auch zukünftige Entgelterhöhungen an die Mitarbeiter weiterzugeben sind, solange der Betriebsrat einer Änderung der Entlohnungsgrundsätze nicht zugestimmt hat. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht diesen Weg weiterverfolgt und damit den Austritt aus dem Arbeitgeberverband ohne spätere Beteiligung des Betriebsrates unattraktiver gestaltet.

Aktenzeichen:

5 AZR 82/10