BAG: Innerbetriebliche Stellenausschreibung kann nicht nachgeholt werden
Der Arbeitgeber muss offene Stellen auf Verlangen des Betriebsrates innerbetrieblich ausschreiben, bevor er eine Entscheidung über die Personalauswahl trifft und den Betriebsrat zu der beabsichtigten personellen Maßnahme nach § 99 BetrVG zum Zwecke der Zustimmungserteilung anhört. Die Nachholung der innerbetrieblichen Stellenausschreibung im Zustimmungsersetzungsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.10.2022 grundsätzlich ausgeschlossen.
In dem streitgegenständlichen Fall hatten Arbeitgeber und Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung vereinbart, dass grundsätzlich alle freien offenen Stellen intern ausgeschrieben werden. Die Betriebsvereinbarung wurde arbeitgeberseitig gekündigt. Einige Jahre später hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Versetzung von zwölf Arbeitnehmern im Rahmen einer Neuorganisation an. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung und stützte diese im Wesentlichen auf die unterbliebene Stellenausschreibung. Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass der Betriebsrat eine Stellenausschreibung weder allgemein noch für eine bestimmte Art von Tätigkeiten verlangt habe. Außerdem habe der Arbeitgeber die Stellenausschreibung wirksam nachgeholt. Die Stellenausschreibung sowie die nochmalige Beantragung der Zustimmung erfolgte während des bereits laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung erneut.
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Betriebsrat seine Zustimmung zu den beabsichtigten Versetzungen zu Recht unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigert habe.
Trotz eines entsprechenden Verlangens des Betriebsrats i.S.v. § 93 BetrVG sei die Ausschreibung der betroffenen Stellen vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens unterblieben. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die erforderlichen Stellenausschreibungen nicht während des gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens mit der Folge nachgeholt werden können, dass dieser Zustimmungsverweigerungsgrund entfallen wäre.
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat die Ausschreibung der Arbeitsplätze verlangt. Das innerbetriebliche Ausschreibungsverlangen nach § 93 BetrVG ist eine einseitige Erklärung, die dem Arbeitgeber zugehen muss. Dies könne auch in einer Betriebsvereinbarung erfolgen. In dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung über innerbetriebliche Stellenausschreibungen liege – unabhängig davon, wer den Abschluss initiiert habe – zugleich ein einseitiges Stellenausschreibungsverlangen des Betriebsrates. Dem Stellenausschreibungsverlangen könne sich der Arbeitgeber nicht durch Kündigung der Betriebsvereinbarung entziehen. Ob die Betriebsvereinbarung Nachwirkung entfalte, ist dabei aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts unbeachtlich.
Im Wege der Auslegung gelangt das Bundesarbeitsgericht sodann zu dem Ergebnis, dass Sinn und Zweck des § 93 BetrVG die Durchführung des innerbetrieblichen Ausschreibungsverfahrens gebieten, bevor der Arbeitgeber die Entscheidung über die Besetzung der freien Stelle trifft und den Betriebsrat um eine entsprechende Zustimmung ersucht. Ziel der innerbetrieblichen Ausschreibung sei die Aktivierung des innerbetrieblichen Arbeitsmarktes und die Schaffung von Transparenz über betriebliche Vorgänge, um einer Irritation über die Hereinnahme Außenstehender trotz im Betrieb vorhandener personeller Ressourcen entgegenzuwirken. Die Erreichung dieser Ziele könne nicht gleichermaßen gewährleistet werden, wenn die Entscheidung über die Personalauswahl vor der innerbetrieblichen Stellenausschreibung bereits getroffen worden ist. Daran ändere sich auch dann nichts, wenn der Arbeitgeber nach erfolgter Stellenausschreibung erneut zur Versetzung derselben Arbeitnehmer die Zustimmung des Betriebsrats beantrage. Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne von einer neuen und damit eigenständigen personellen Maßnahme nur dann ausgegangen werden, wenn vom ursprünglichen Begehren Abstand genommen und ein neues Verfahren eingeleitet werde.
Anhaltspunkte für eine besondere Dringlichkeit der Stellenbesetzung, aufgrund derer die vorherige Stellenausschreibung ausnahmsweise nicht möglich gewesen wäre, waren nicht ersichtlich.
Hinweise von Rechtsanwältin Dr. Astrid Dotting:
Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung sowohl die für die Praxis relevanten Fragen zu einem innerbetrieblichen Stellenausschreibungsverlangen mittels Betriebsvereinbarung und den Folgen der Kündigung einer solchen Betriebsvereinbarung durch den Arbeitgeber beantwortet als auch Klarheit zur Auslegung von § 93 BetrVG in Bezug auf die Reihenfolge von Personalauswahlentscheidung und der innerbetrieblichen Stellenausschreibung geschaffen.
Zudem macht das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung nochmals deutlich, dass es sich bei zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Zustimmungsbegehren um lediglich ein Verfahren handelt, wenn sich an der begehrten personellen Maßnahme selbst nichts verändert und Personenidentität besteht.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
1 ABR 16/21
Datum der Entscheidung:
11.10.2022