BAG: Kein Anspruch des Betriebsrats auf separaten Internetzugang und Telefonanschluss
Der Betriebsrat hat weder Anspruch auf einen separaten, vom internen Netz des Arbeitgebers unabhängigen Internetanschluss noch auf einen separaten Telefonanschluss.
Der Antragsteller ist der Betriebsrat eines Betriebes im Konzern der M AG. Das Büro des Betriebsrats ist mit einem PC und einem Laptop ausgestattet. Der Zugang zum Internet wird – wie bei allen an das Internet angeschlossenen Rechnern im Betrieb – über einen zentralen Proxy-Server der M AG realisiert. Dabei können alle Browserzugriffe protokolliert, den einzelnen Rechnern zugeordnet und ausgewertet werden. Verschiedene vom Unternehmen als „nicht notwendig“ erachtete Internetadressen wie beispielsweise „eRecht24“ werden über einen Filter gesperrt, können auf Verlangen aber anlassbezogen freigegeben werden.
Der E-Mail-Zugang des Betriebsrats erfolgt ebenfalls über das Netz des Unternehmens. Die E-Mail-Postfächer können von Administratoren gelesen werden.
In den Konzerngesellschaften werden Telefonanlagen eingesetzt, die zentral verwaltet werden. Diese können so eingestellt werden, dass sämtliche Verkehrsdaten einschließlich der vollständigen Zielnummern gespeichert und personenbezogen ausgewertet werden können.
Der Betriebsrat sieht die Gefahr einer Überwachung seines Internetverkehrs, seiner E-Mails und seiner Telefongespräche und verlangt deshalb, ihm einen separaten, nicht über den Proxy-Server der M AG vermittelten Internetzugang, einen separaten, nicht kontrollierbaren E-Mail-Zugang und einen separaten, nicht kontrollierbaren Telefonanschluss zur Verfügung zu stellen.
Nachdem das Arbeitsgericht die Anträge abgewiesen und das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen hat, hatte das Bundesarbeitsgericht über die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zu entscheiden. Diese wurde vom BAG zurückgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht verweist zunächst auf die Bestimmung von § 40 Abs. 2 BetrVG, die folgenden Wortlaut hat:
„(2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.“
Das Internet gehöre zur Informationstechnik im Sinne von § 40 Abs. 2 BetrVG. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit habe der Betriebsrat aber die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen.
Der Betriebsrat könne zwar im Regelfall einen Internetzugang sowie einen E-Mail-Anschluss verlangen. Dieser Anspruch des Betriebsrates sei aber erfüllt worden. Die Sperrung einzelner Seiten durch den Proxy-Server der M AG stelle keine unzulässige Beeinträchtigung der Betriebsratsarbeit dar. Wenn der Betriebsrat bestimmte nicht verfügbare Internetseiten zur Erledigung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben für erforderlich erachte, könne er „gegebenenfalls deren Freischaltung nach § 40 Abs. 2 BetrVG verlangen“.
Auch die abstrakte Möglichkeit einer Kontrolle der Tätigkeit des Betriebsrates durch die Möglichkeit der Kontrolle der Internetnutzung mittels des Proxy-Servers begründe keinen Anspruch des Betriebsrates darauf, einen separaten Internetanschluss zu erhalten. Solange keine durch objektive Tatsachen begründete Vermutung dafür besteht, dass abstrakte Kontrollmöglichkeiten durch den Arbeitgeber missbräuchlich ausgenutzt werden, sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber keine Überwachung der Internetaktivitäten des Betriebsrates vornehme. Das gelte jedenfalls dann, wenn dem Betriebsrat ein nicht personalisierter Internetzugang zur Verfügung steht, bei dem nicht erkennbar sei, welches Betriebsratsmitglied eine konkrete Recherche durchgeführt habe.
Bei der Abwägung seien auch die Sicherheitsinteressen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Es liege im berechtigten Interesse der Arbeitgeberin, den betrieblichen Proxy-Server für Internetrecherchen und den E-Mail-Verkehr zu nutzen, um die IT-Sicherheit zu gewährleisten.
Der Betriebsrat habe deshalb keinen Anspruch auf einen vom Rechennetz der Arbeitgeberin unabhängigen Internetanschluss oder E-Mail-Anschluss. Gleiches gelte im Ergebnis für den gesonderten Telefonanschluss. Auch hier bestünden keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine etwaige Überwachung des Telefonanschlusses des Betriebsrates durch die Arbeitgeberin.
(BAG vom 20.04.2016, 7 ABR 50/14)
Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto:
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes bewegt sich im Grenzbereich des im Hinblick auf den konkreten Fall vielleicht noch Vertretbaren.
Unzweifelhaft richtig ist, dass ein Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Gewährleistung der Sicherheit seiner IT-Systeme hat. Soweit es um den Internetzugang und die Einrichtung eines gesonderten E-Mail-Anschlusses geht, ist aber zu berücksichtigen, dass die damit verbundenen Kosten gerade dann, wenn der Betriebsrat über mehr als einen PC verfügt, mittlerweile sehr gering sind.
Der Ansatzpunkt des Gerichtes, dass ein Betriebsrat aufgrund des gesetzlich normierten Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit davon auszugehen hat, dass seine Internet- und E-Mail-Aktivitäten von der Arbeitgeberin nicht missbräuchlich überwacht werden, erscheint hingegen verfehlt; dass der Satz „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ höchstrichterliche Anerkennung erlangen könnte, ist durchaus überraschend.
In aller Regel wird der Betriebsrat nicht über die Möglichkeit verfügen, eine Überwachung seiner Internet- oder E-Mail-Aktivitäten durch die Arbeitgeberin nachweisen zu können. Es dürfte aber nicht wenige Betriebe geben, in denen ein Personalleiter oder Geschäftsführer der Versuchung, Interna seines betrieblichen Gegenspielers in Erfahrung zu bringen, nachgibt, zumal das Risiko einer Entdeckung kaum bestehen dürfte.
Auch die Auffassung des Senats, dass eine Sperrung des Zugangs zu bestimmten Internetadressen keine unzulässige Beeinträchtigung der Betriebsratsarbeit darstelle, erscheint nur nachvollziehbar, wenn nur einige wenige Seiten, an deren Aufruf der Betriebsrat ein legitimes Interesse haben kann, gesperrt werden. Wenn die Sperre hingegen häufiger erfolgt, müsste der Betriebsrat bei jeder einzelnen Internetseite die Freischaltung beantragen. Auch wenn der Arbeitgeber die Freischaltung unverzüglich vornehmen lässt, ist ihm damit doch die Möglichkeit gegeben, nachzuvollziehen, mit welchen Themen der Betriebsrat sich befasst. Darüber hinaus dürfte in solchen Fällen durchaus eine unzulässige Beeinträchtigung der Betriebsratsarbeit vorliegen, wenn der Arbeitsfluss von Betriebsratsmitgliedern immer wieder dadurch gestört wird, dass die Freischaltung bestimmter Seiten bei den zuständigen Stellen im Betrieb beantragt und anschließend abgewartet werden muss.
Betrachtet man den geringen Aufwand, der mit der Schaffung eines gegebenenfalls mobilen Internetanschlusses verbunden ist, dürfte immer dann, wenn nicht nur einzelne Seiten einer Sperrung unterliegen, wohl trotz der Entscheidung des BAG von einem Anspruch des Betriebsrates auf ungestörten Internetzugang auszugehen sein. Dieser könnte in vielen Fällen mit einem mobilen Internetzugang zu einem PC oder Notebook, der mit dem Firmennetz nicht verbunden ist, realisiert werden. Gleiches gilt für den Telefonanschluss. Die Kosten eines Mobilfunktelefons sind so gering, dass es einem Arbeitgeber kaum unzumutbar erscheinen sollte, ein solches für die ungestörte und nicht überwachbare Kommunikation mit dem Betriebsrat zur Verfügung zu stellen.
Darüber verdeutlicht die Entscheidung des BAG, dass der Betriebsrat gerade im Hinblick auf Internet, E-Mail und Telefon von seinem Mitbestimmungsrecht (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) Gebrauch machen und in der Betriebsvereinbarung über die Nutzung dieser Dienste sicherstellen sollte, dass der Betriebsrat über die entsprechenden Kontrollmöglichkeiten verfügt, um einen Missbrauch der Systeme überprüfen zu können.