BAG: Keine Abfindung aus Sozialplan für Kündigung nach Widerspruch gegen Betriebsübergang

Die Klägerin hat im Zusammenhang mit einer Betriebsänderung und einem hierzu geschlossenen Sozialplan folgende Klageanträge gestellt: 

  1. Die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 101.999,50 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2019 zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 8.000,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2019 zu zahlen.

Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht gaben der Klägerin recht. Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das BAG die Entscheidung des LAG abgeändert und die Klage abgewiesen. 

Der mit dem Betriebsrat vereinbarte Sozialplan sah u. a. die Überführung in eine Transfergesellschaft vor, soweit die Voraussetzungen für den Bezug von Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III erfüllt sind.  Entgegen der ursprünglichen Planung erfolgte keine Betriebsänderung. Es kam vielmehr zu einem Betriebsübergang, dem die Klägerin widersprach, worauf ihr betriebsbedingt gekündigt wurde. 

Die Klägerin falle gar nicht in den Geltungsbereich des Sozialplans, weil ihr Arbeitsplatz nicht durch eine Betriebsänderung weggefallen sei, so das BAG, sondern erst durch ihren Widerspruch nach einem Inhaberwechsel. Der Sozialplan hat dem BAG zufolge nur Personal des damals aktuellen Unternehmers erfassen wollen. Der Wortlaut des Sozialplans ist zwar laut den Erfurter Richtern insoweit missverständlich, aber seine Systematik und sein Zweck zeigten deutlich, dass er auf einer Planung des Unternehmens beruhte, den Standort stillzulegen oder eine Betriebsänderung vorzunehmen. Ein Inhaberwechsel lasse den Sozialplan nicht zur Anwendung gelangen. Es sei kein Parteiwille dahingehend erkennbar, auch Arbeitnehmer abzufinden, die nach Betriebsübergang aufgrund Widerspruchs ihren Arbeitsplatz verlieren. Für einen Schadenersatzanspruch fehle es daher an einer Anspruchsgrundlage. 

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine klare Ausformulierung eines Sozialplans ist. Das BAG hat insofern hervorgehoben, dass aus dem Sozialplan nicht erkennbar sei, dass auch Arbeitnehmer anspruchsberechtigt sind, die aufgrund Widerspruchs gegen den Betriebsübergang durch ihren bisherigen Arbeitgeber gekündigt werden. Viele Sozialpläne sehen für diesen Fall explizite Regelungen vor, die hier aber fehlten, sodass eine Auslegung zu erfolgen hatte. Für betroffene Mitarbeiter zeigt die Regelung, wie wichtig es ist, die Entscheidung über den Widerspruch gegen einen Betriebsübergang sorgfältig abzuwägen. 

 

 Gericht: 

BAG 

Aktenzeichen

1 AZR 278/20 

Datum der Entscheidung

09.11.2021