BAG: Keine Anrechnung fiktiver, abschlagsfreier Rente bei Gesamtversorgung der Techniker Krankenkasse
Die Klägerin bezieht seit dem 01.10.2004 ein Gesamtruhegeld nach den Bestimmungen von Anlage 6 a des entsprechenden Tarifvertrages der Techniker Krankenkasse. Nach der Bestimmung von Anlage 6a Nr. 11 Ziffer 1 des Tarifvertrags wird auf das Gesamtruhegeld „die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe, und zwar auch dann, wenn die Rente ruht“ angerechnet. Die Beklagte hatte bei der Berechnung des Gesamtruhegeldes jedoch nicht nur die von der Klägerin tatsächlich bezogene gesetzliche Altersrente in Höhe von EUR 1.317,46 angerechnet, sondern die um EUR 271,75 höhere fiktive Rente, die die Klägerin zu beanspruchen hätte, wenn sie die vorzeitige Altersrente nicht in Anspruch genommen hätte.
Dazu war die Beklagte nicht berechtigt. Auf das ruhegeldfähige Gehalt ist lediglich die tatsächlich bezogene gesetzliche Altersrente, nicht aber die fiktive, ungekürzte Altersrente anzurechnen.
Dieses ergibt sich nach Auffassung des BAG bereits aus dem Wortlaut der tariflichen Regelung. Der von den Tarifvertragsparteien verwendete Begriff der „Rente … in voller Höhe“ werde auch in der gesetzlichen Bestimmung von § 42 Abs. 2 SGB VI verwendet und diene dort der Abgrenzung der tatsächlich gezahlten Rente von der Teilrente in Höhe von einem Drittel, der Hälfte oder zwei Drittel der Rente in voller Höhe. Wenn ein Tarifvertrag einen Begriff verwende, der in einem Gesetz, zu welchem ein Sachzusammenhang bestehe, ebenfalls verwandt werde, ohne den Begriff anderweitig zu definieren, dann ist dem Begriff bei der Auslegung des Tarifvertrages regelmäßig die Bedeutung beizumessen, mit der der Begriff in der gesetzlichen Regelung verwendet wird.
Auch die systematische Auslegung stütze dieses Ergebnis. Das ergebe sich bereits aus der Überschrift der Vorschrift, nach der es sich bei der Rente um „anzurechnende Bezüge“ handele. Ein Leistungsbezug liege jedoch nach allgemeinem Begriffsverständnis nur dann vor, wenn der Berechtigte die Leistung tatsächlich erhält. Fiktive Leistungen werden allgemein nicht als Bezug begriffen.
Schließlich spreche auch die am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte teleologische Auslegung für das gefundene Ergebnis. Die Anrechnung anderweitiger Versorgungsleistungen auf das ruhegeldfähige Gehalt diene der Vermeidung einer Überversorgung. Dabei seien jedoch lediglich die tatsächlich vereinnahmten Renten zu berücksichtigen und nicht diejenigen, die der Mitarbeiter nicht erhält.
Die Beklagte hatte schließlich noch ausgeführt, dass die Tarifvertragsparteien mit der tariflichen Regelung das Ziel verfolgt hätten, den Arbeitgeber zu einer Anrechnung fiktiver Rentenbestandteile zu ermächtigen. Dieser Vortrag war jedoch nicht zu berücksichtigen. Die Auslegung von Tarifverträgen folge den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Deshalb sei zunächst vom Wortlaut des Tarifvertrages auszugehen. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist nur zu ermitteln, soweit er sich in den tariflichen Regelungen niedergeschlagen hat. Darin jedoch fehlte es. (BAG vom 21.01.2011 – 9 AZR 565/08)
9 AZR 565/08