BAG: Kinderbezogener Ortszuschlag auch bei eingetragener Lebenspartnerschaft
Wenn ein Tarifvertrag die Zahlung eines kinderbezogenen Ortszuschlages an Stiefkinder des Arbeitnehmers vorsieht, haben auch Arbeitnehmer, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, Anspruch auf Zahlung des kinderbezogenen Ortszuschlages
Die Klägerin war als Lehrerin für das beklagte Land tätig und wurde nach dem Bundesangestelltentarifvertrag vergütet. Dieser sah die Zahlung eines kinderbezogenen Ortszuschlages für solche Kinder vor, für die der jeweilige Arbeitnehmer Kindergeld erhielt. Die Klägerin lebte seit dem 3.6.2005 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit ihrer Lebenspartnerin; im Haushalt lebten auch die beiden minderjährigen Kinder der Lebenspartnerin, zu deren Unterhalt die Klägerin beiträgt. Nach Eingehung der Lebenspartnerschaft verlangte die Klägerin vom beklagten Land die Zahlung des kinderbezogenen Ortszuschlages für die Kinder ihrer Lebenspartnerin. Das Land verweigerte die Zahlung unter Hinweis auf die Bestimmung von § 29 BAT-O. Danach ist der kinderbezogene Ortszuschlag nur für solche Kinder zu beanspruchen, für die der Arbeitnehmer Kindergeld beanspruchen kann; Kindergeld kann zwar für die Kinder eines Ehepartners, nicht aber für Kinder eines Lebenspartners beansprucht werden.
Die Klägerin erhob Klage, der in allen Instanzen stattgegeben wurde.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) feststellte, kann der Anspruch der Klägerin nicht unmittelbar aus dem BAT-O abgeleitet werden. Nach der Bestimmung von § 29 Abschnitt B Abs. 3 BAT-O stand der Klägerin der Ortszuschlag nicht zu, weil sie keinen Anspruch auf Kindergeld für die Kinder ihrer Lebenspartnerin hatte. Die tarifvertragliche Bestimmung sei jedoch unwirksam, soweit sie Verheiratete und Verpartnerte im Sinne des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft ungleich behandele. Indem die Tarifnorm für den Anspruch auf kinderbezogenen Ortszuschlag an die Zahlung von Kindergeld anknüpfe, unterscheide sie mittelbar zwischen Verheirateten und Verpartnerten. Diese Unterscheidung stelle eine Benachteiligung wegen der sexuellen Orientierung dar, weil die Ehe üblicherweise von Heterosexuellen und die eingetragene Lebenspartnerschaft üblicherweise von Homosexuellen eingegangen werde. Diese Unterscheidung sei aber nur zulässig, wenn es einen entsprechenden Sachgrund gebe. Dabei könne der Schutz der Ehe als Sachgrund nicht ausreichen; vielmehr bedürfe es eines sachlich vertretbaren Unterscheidungsgesichtspunktes von hinreichendem Gewicht.
Einen solchen Sachgrund hat das BAG nicht erkennen können. So seien Ehepartner gegenüber den Kindern ihrer Ehepartner ebensowenig zum Unterhalt verpflichtet wie Verpartnerte gegenüber den Kindern ihrer eingetragenen Lebenspartner. Wenn das Kind eines Lebenspartners in den Haushalt aufgenommen werde, entstehe aber eine vergleichbare Unterhaltssituation wie bei der Aufnahme des Kindes eines Ehepartners in den ehelichen Haushalt. Im Ergebnis könne deshalb die Unterscheidung zwischen Verpartnerten und Verheirateten hinsichtlich des kinderbezogenen Ortszuschlages nicht gerechtfertigt werden.
Aufgrund des Gleichheitsverstoßes sei die tarifliche Unterscheidung rechtswidrig. Das habe zwar nicht zwangsläufig zur Folge, dass der gleichheitswidrig Benachteiligte auch den gewünschten Ortszuschlag erhalten könne. Wenn der Normgeber aber dem Gleichheitssatz nur durch Gewährung der vorenthaltenen Leistungen an den sachwidrig Diskriminierten Rechnung tragen könne oder anzunehmen sei, dass der Normgeber bei Beachtung des Gleichheitssatzes auch die ausgeschlossenen Personen in den Geltungsbereich einbezogen hätte, seien die diskriminierend ausgeschlossenen Personen vom Gericht in den Regelungsbereich einzubeziehen. Davon sei hier auszugehen, weil Stiefeltern, die den kinderbezogenen Ortszuschlag bereits erhalten hatten, dieser nicht mehr rückwirkend genommen werden könne. (BAG v. 18.03.2010 – 6 AZR 156/09)
Hinweis von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Obwohl die Bestimmung des BAT nun auch im Land Hessen nicht mehr Anwendung finden, entfaltet das Urteil des BAG auch heute noch Folgewirkungen. Das BAG weist nämlich ausdrücklich darauf hin, dass sich die Gewährung des kinderbezogenen Ortszuschlages nach den entsprechenden Überleitungstarifverträgen der Länder noch heute durch Zahlung der entsprechenden Besitzstandszulage auswirkt.
6 AZR 156/09