BAG: Kündigungsfrist für Fremdgeschäftsführerdienstverträge
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in dem vorliegenden Rechtsstreit u.a. mit der Frage zu befassen, welche Kündigungsfristen von Gesetzes wegen auf einen Geschäftsführerdienstvertrag Anwendung finden.
Die Klägerin war seit Juli 2009 bei der Beklagten als Geschäftsführerin mit einem Jahresgrundentgelt in Höhe von 100.000,00 Euro brutto eingesetzt. Im Juli 2017 kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten in deren Konsequenz die Beklagte das Anstellungsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 27.02.2018 mit Wirkung zum 31.05.2018 ordentlich kündigte.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung des Anstellungsverhältnisses gewehrt. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Brandenburg hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sie im Wesentlichen abgewiesen und festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien erst mit Ablauf des 30.06.2018 sein Ende gefunden hat.
Die gegen die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg beim BAG eingelegte Revision der Klägerin hatte letztlich keinen Erfolg, da der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung vom 27.02.2018 keine Unwirksamkeitsgründe entgegenstehen. Zudem hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass von Gesetztes wegen nicht etwa die Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 2 BGB, sondern vielmehr die Frist des § 621 Nr. 4 BGB auf das Anstellungsverhältnis Anwendung findet. Denn ein Geschäftsführer, der nicht Mehrheitsgesellschafter einer GmbH ist und zu ihr in keinem Arbeitsverhältnis steht, könne sich nicht auf die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen. § 622 BGB ist – seinem Wortlaut entsprechend – nur auf die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses anzuwenden. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, so das BAG, dass auf die Kündigung eines Geschäftsführeranstellungsvertrages diese Norm entsprechend anzuwenden wäre. Insofern sei bei Geschäftsführeranstellungsverträgen allein § 621 BGB maßgeblich zur Bestimmung der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsfrist. Im Rahmen dieser Norm spielt die Dauer des Vertragsverhältnisses – anders als bei § 622 Abs. 2 BGB – keine Rolle, sondern nur der Zeitabschnitt, für den die Vergütung bemessen ist. Da die Parteien vorliegend ein Jahresgehalt vereinbart hatten, hat die Kündigung vom 27.02.2018 das Anstellungsverhältnis der Klägerin mit der in § 621 Nr. 4 BGB bestimmten Frist von sechs Wochen zum Schluss des Kalendervierteljahres, sprich zum 30.06.2018 beendet.
Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hinsichtlich der bis zum 14.10.1993 geltenden Fassung des § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Kündigung des Anstellungsverhältnisses von GmbH-Geschäftsführern die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 BGB angewendet, soweit es sich nicht um Mehrheitsgesellschafter handelt. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung sowie überwiegende Teile des Schrifttums sind dem BGH bislang gefolgt. Mit der vorliegenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, nach der ein Geschäftsführer sich nicht auf die verlängerten Fristen des § 622 Abs. 2 BGB berufen kann, wendet sich das BAG von der bislang geltenden Rechtsprechung des BGH ab. In der Praxis bleibt es damit nach wie vor ratsam, beim Abschluss von Geschäftsführerdienstverträgen Kündigungsfristen vertraglich zu vereinbaren, um die kurzen Fristen des § 621 BGB zu vermeiden.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung:
11.06.2020
Aktenzeichen:
2 AZR 374/19