BAG: Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Ausnahme von Arbeitnehmern bestimmter Geschäftsbereiche eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers von Gehaltsanpassung
Die Entscheidung eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von Gehaltsanpassungen ausnehmen zu wollen, unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da dies zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze führt.
Die Arbeitgeberin unterhält drei Produktionsstandorte in Deutschland. Sie vereinbarte mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zu einem Vergütungssystem für verschiedene sog. Jobfamilien. Die Gesamtbetriebsvereinbarung beinhaltet unter anderem Grundsätze der jährlichen Gehaltsanpassung. Das zur Verteilung zur Verfügung stehende Volumen wird jährlich durch die Arbeitgeberin bestimmt und nach Genehmigung durch das herrschende Konzernunternehmen dem Gesamtbetriebsrat mitgeteilt. Die Verteilung erfolgt leistungsabhängig. Durch Betriebsvereinbarungen mit den örtlichen Betriebsräten erfolgt die Umsetzung der Gehaltserhöhungen. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin den Adressatenkreis der Gehaltsanpassung mitbestimmungsfrei vorgeben kann. Auslöser für den Streit war die Entscheidung der Arbeitgeberin, alle Arbeitnehmer, die einem bestimmten Geschäftsbereich zugeordnet sind, von der Gehaltsanpassung für das Jahr 2014 auszunehmen. Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, dass es sich um eine freiwillige Leistung handele, deren Adressatenkreis sie mitbestimmungsfrei vorgeben könne.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2017 – 1 ABR 12/15 – ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Entscheidung der Arbeitgeberin, ob im Betrieb tätige Arbeitnehmer eines Geschäftsbereichs von einer Gehaltsanpassung ausgenommen werden, bejaht. Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass die Entscheidung der Arbeitgeberin, Arbeitnehmer bestimmter Geschäftsbereiche von einer Gehaltsanpassung auszunehmen, zu einer Änderung der im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze führe. Sie habe zur Folge, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen der Arbeitnehmer des Betriebs zueinander ändere. Dies sei nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig.
Bei einer Gehaltsanpassung werde nicht erstmals ein bestimmtes Volumen für einen bestimmten Leistungszweck zur Verfügung gestellt, sondern lediglich das auch schon bisher für die Vergütung der Arbeitnehmer bereitgestellte gesamte Dotierungsvolumen erhöht.
Hinweise von Rechtsanwältin Dr. Astrid Dotting:
Zur Beurteilung, ob die Auswahl des Empfängerkreises einer freiwilligen Leistung durch den nicht tarifgebundenen Arbeitgeber der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegt, wird demnach zwischen der erstmaligen Auswahlentscheidung und späteren Folgeentscheidungen zu unterscheiden sein. Im Gegensatz zur Erstauswahl (siehe hierzu BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 – 1 AZR 454/06) unterliegen Folgeentscheidungen über die Auswahl des Empfängerkreises freiwilliger Leistungen im Rahmen von Gehaltsanpassungen der Mitbestimmung des Betriebsrats.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
1 ABR 12/15
Datum der Entscheidung:
21.02.2017