BAG: Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei Kürzung des Urlaubsanspruchs

Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Annahmeverzugslohn und Urlaubsansprüchen.

 

In dem Verfahren machte die klagende Arbeitnehmerin, welche bis zum 15.08.2012 bei der Beklagten beschäftigt war, die Abgeltung von noch offenen Urlaubsansprüchen aus den Jahren 2011 und 2012 geltend. Die Besonderheit des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts war hier, dass die Arbeitnehmerin die Arbeitgeberin bereits in einem anderen Verfahren verklagt hatte und die Arbeitgeberin rechtskräftig zur Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum vom 28.01.2012 bis 15.08.2012 verurteilt worden war. Vor diesem Zeitraum war die Klägerin vom 27.09.2011 bis zum 27.01.2012 arbeitsunfähig erkrankt.

 

Während der Zeit vom 27.09.2011 bis zum 27.01.2012 war eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs aufgrund der arbeitsunfähigen Erkrankung nicht möglich (§ 9 BUrlG). Auch in dem anschließenden Zeitraum vom 28.01.2012 bis 15.08.2012 und damit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war eine wirksame Urlaubsgewährung nicht möglich bzw. konnte in dem hiesigen Verfahren vor dem BAG nicht angenommen werden, weil bereits zuvor die Arbeitgeberin im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens zur Zahlung von Annahmeverzugslohn für den Zeitraum vom 28.01.2012 bis 15.08.2012 rechtskräftig verurteilt worden war. Damit stand zwischen den Parteien bereits rechtskräftig fest, dass die Arbeitgeberin sich in der Zeit vom 28.01.2012 bis 15.08.2012 im Annahmeverzug befand. Annahmeverzug setzt nach § 293 BGB u.a. die Nichtannahme der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber voraus. Bei einer wirksamen Urlaubsgewährung befreit der Arbeitgeber den Arbeitnehmer demgegenüber von der Arbeitspflicht. Mangels Arbeitspflicht im Fall der wirksamen Urlaubsgewährung schließt die Urlaubsgewährung die Nichtannahme der Arbeitsleistung denknotwendig aus. Gleiches gilt umgekehrt. Für denselben Zeitraum kommt daher nur entweder Urlaubsgewährung oder Annahmeverzug in Betracht. Aufgrund der rechtskräftigen Feststellung des Bestehens eines Annahmeverzugsanspruchs in dem früheren Verfahren konnte das BAG daher gar nicht anders, als die Möglichkeit der wirksamen Urlaubsgewährung durch den Arbeitgeber für diesen Zeitraum von vornherein zu verneinen.

 

Neben der Klarstellung des Verhältnisses von Annahmeverzugslohn und Urlaubsansprüchen beschäftigt sich das Urteil des BAG zudem erneut mit den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Urlaubsgewährung und wiederholt noch einmal wichtige Grundsätze aus der Entscheidung des BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 43/16:

 

„Die Befristung des Urlaubsanspruchs nach § 7 Absatz 3 BUrlG setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz dafür Sorge trägt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Er muss den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (BAG 19. Februar 2019 – 9 AZR 43/16 – Rn. 39 ff.).“

 

Im Hinblick auf die Feststellung der Höhe der noch offenen Urlaubsansprüche äußerste sich das BAG zudem noch zu dem Erklärungswert von Angaben auf einem vom Arbeitgeber unterzeichneten Urlaubsantrag über die noch verbleibenden Urlaubstage. Im Regelfall wird solchen Angaben keine verbindliche Wirkung, wie etwa die Wirkung eines Schuldanerkenntnisses, zukommen. In dem Urteil des BAG heißt es hierzu wörtlich:

 

„Eine Erklärung, mit der der Arbeitgeber einen Urlaubsantrag genehmigt, ist regelmäßig allein auf die Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub und nur insoweit auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet. Die Angaben zu den „vorhandenen“ und „verbleibenden“ Urlaubstagen in einem vom Arbeitgeber zur Beantragung und Genehmigung von Urlaub verwendeten Formular haben regelmäßig allein eine Hinweis- und Dokumentationsfunktion. Selbst wenn mit diesen Angaben ein Urlaubskonto vergleichbar einem Arbeitszeitkonto geführt wird, kann der Arbeitnehmer regelmäßig nicht annehmen, es handele sich um eine auf Bestätigung oder Veränderung der Rechtslage gerichtete Willenserklärung im Sinne eines deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnisses.“

 

Hinweise von Mosebach Gescher Otto Dotting – Rechtsanwälte Partnerschaft mbB: 

Ein weiteres BAG Urteil zum Urlaubsrecht. Diese Entscheidung bringt aber keine weitere Umwälzung im Urlaubsrecht, sondern bestätigt zu den Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Urlaubsgewährung die noch recht junge und durch das Europarecht geprägte Rechtsprechung des BAG hierzu (insbesondere wird hier die Linie aus der bereits bekannten Entscheidung des BAG vom 19.02.2019 – 9 AZR 43/16 bestätigt).

 

Der Kern der hiesigen Entscheidung betraf das Verhältnis von Annahmeverzugslohn zu Urlaubsansprüchen. Die Feststellung, dass sich Annahmeverzugslohn und Urlaubsansprüche gegenseitig ausschließen ist dabei wenig überraschend. Allerdings zeigt das Urteil, dass bereits in dem Prozess über den Annahmeverzugslohn – wie insgesamt bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und insbesondere bei Vergleichen im Kündigungsschutzprozess oder in Aufhebungsverträgen – an das Thema der etwaig noch offenen Urlaubsansprüche gedacht werden sollte.

 

Gericht:

BAG

Datum der Entscheidung:

21.05.2019

Aktenzeichen:

9 AZR 579/16