BAG: Nichtigkeit einer pauschalen Verfallklausel

Der Ausgangspunkt dieses Rechtsstreits lag in einer Konstellation, bei der die Klägerin in einem Unternehmen, dessen Kommanditist und Geschäftsführer ihr Ehemann war, die Finanz- und Lohnbuchhaltung durchgeführt hat. Die weiteren Kommanditisten stellten im August 2017 fest, dass mehrfach private Rechnungen mit Firmengeldern zum Ausgleich gebracht worden waren. Daraufhin kündigte die Gesellschaft das Arbeitsverhältnis, wogegen die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben hat. Widerklagend hat daraufhin die Gesellschaft Schadensersatzansprüche aus eigenem und aus abgetretenem Recht aufgrund der aus ihrer Sicht fehlerhaften Buchungen geltend gemacht und dabei insgesamt ein Betrag i.H.v. 101.372,72 EUR eingefordert. 

Der Arbeitsvertrag zwischen den Parteien enthielt unter anderem folgende Klausel: 

“§ 13 Verfallsfristen: Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.” 

Das Landesarbeitsgericht hatte die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung bestätigt. Gegen die Entscheidung wurde insofern auch kein Rechtsmittel eingelegt. Streitig zwischen den Parteien ist nur noch die Frage der Berechtigung der Widerklage gewesen. Insofern hat das Bundesarbeitsgericht den Streitstand jetzt an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.  

Das Bundesarbeitsgericht weist darauf hin, das zu unterscheiden sein wird zwischen den abgetretenen Ansprüchen, für die die Verfallklausel schon deshalb nicht greift, weil diese Ansprüche ihren Ursprung gar nicht im Arbeitszeugnis zwischen den Parteien haben, und den eigenen Ansprüchen der Arbeitgeberin. 

Insofern sei zu beachten, dass entgegen der früheren Rechtsprechung des BAG (BeckRS 2013, 70881) Schadensersatzansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung von einer pauschalen Ausschlussklausel in AGB i.S.v. § 310 III Nr. 2 BGB erfasst werden. 

Darüber hinaus werde das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass § 13 des Arbeitsvertrags wegen Verstoßes gegen § 202 I BGB nach § 134 BGB nichtig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat zugleich ausgeführt, dass die diesbezügliche Verfallklausel nicht teilbar sei und deshalb vollständig entfalle.  

Obwohl die Arbeitgeberin hier Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war, sei sie nicht verpflichtet, die Verfallklausel gegen sich gelten zu lassen.  

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Das Bundesarbeitsgericht weicht hier von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Daraus ergibt sich zunächst – einmal wieder – Bedarf für eine Überprüfung von standardmäßig verwendeten Verfallklauseln. Diese müssen ausdrücklich auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung und vorsätzlicher unerlaubter Handlung ausnehmen. Ist dies nicht der Fall, ist die Klausel insgesamt nichtig.  Begründet wird dies durch das Bundesarbeitsgericht mit einem Verweis auf § 202 I BGB, wonach die Haftung dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden dürfe.  

 

 

 

 

Gericht: 

BAG

Datum der Entscheidung 

26.11.2020

Aktenzeichen 

8 AZR 58/20