BAG: Rechtsfolge einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung

Die Beklagte zu 1. betreibt Krankenhäuser. Die Beklagte zu 2. Ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. und verfügt über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Der Kläger wurde im Jahr 2008 von der Beklagten zu 2. als IT-Sachbearbeiter eingestellt und war ausschließlich als Leiharbeitnehmer in Einrichtungen der Beklagten zu 1. tätig. Der Kläger hält die Arbeitnehmerüberlassung für unzulässig, weil diese nicht nur vorübergehend erfolgt sei. Er verlangte die Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten zu 1. ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hingegen stattgegeben.
Die Revision der Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 2. hatte Erfolg. Nach Auffassung des BAG konnte es dahin gestellt bleiben, ob die Arbeitnehmerüberlassung des Klägers an die Beklagte zu 1. nur vorübergehend erfolgte oder nicht. Nach der Bestimmung von § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG dürfe die Arbeitnehmerüberlassung zwar nur „vorübergehend“ erfolgen. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung habe aber nicht zur Folge, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet werde.
Das Gesetz sehe das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer in der Bestimmung von § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG nur für den Fall vor, dass der Verleiher nicht über die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfüge. Eine Analogie dieser Regelung für den Fall einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung sei aber nicht möglich, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Der Gesetzgeber habe es bewusst unterlassen, für solche Fälle das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer anzuordnen. Die Revision der Beklagten zu 1. und 2. war deshalb erfolgreich; es bestand kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1., bei der der Kläger von der Beklagten zu 2. im Wege der Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt worden war. (BAG v. 10.12.2013 – 9 AZR 51/13).

Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Die Entscheidung des BAG beantwortet die lange Zeit offene Frage, ob zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande kommt, wenn die Arbeitnehmerüberlassung entgegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt – diese Frage wird vom neunten Senat des BAG nunmehr abschlägig beschieden.
Die Entscheidung des BAG begegnet allerdings erheblichen Einwänden. Es ist zwar durchaus nachvollziehbar, dass sich das BAG nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen möchte; wäre es doch richtigerweise Aufgabe des Gesetzgebers gewesen, die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG klarer regeln sollen. Auch ist zuzugestehen, dass es nicht die Aufgabe der Gerichte ist, den Missbrauch von Leiharbeit einzudämmen. Gleichwohl verwundert die Entscheidung des BAG. Die Beklagte zu 2. mag ja über eine Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung verfügt haben. Diese berechtigt sie aber lediglich zu einer vorübergehenden Überlassung von Arbeitnehmern an Entleiher. Erfolgt eine Arbeitnehmerüberlassung aber nicht nur vorübergehend, ist diese Form der Arbeitnehmerüberlassung nicht durch die dem Verleihunternehmen erteilte Erlaubnis gerechtfertigt. Wird ein Leiharbeitnehmer einem Entleiher nicht nur vorübergehend überlassen, fehlt dem Verleiher mithin die Erlaubnis zu dieser Form der Arbeitnehmerüberlassung. Deshalb wird inzwischen vielfach angenommen, dass in einem solchen Fall gem. § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher zustande kommt.
Bislang liegt lediglich die Pressemitteilung des BAG vor. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG in seinen Urteilsgründen mit der dargestellten Gegenargumentation umgeht.
Hinzuweisen bleibt aber auf die Entscheidung des siebten Senats des BAG vom 10.07.2013, nach der ein Betriebsrat der Einstellung eines Leiharbeitnehmers widersprechen kann, wenn die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur vorübergehend erfolgt (BAG v. 10.07.2013, 7 ABR 91/11)

Aktenzeichen:

9 AZR 51/13