BAG: Risiko bei vereinbarter Freistellung von der Arbeitsleistung
Endet das Arbeitsverhältnis und können Überstunden bzw. Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto nicht mehr durch Freizeitausgleich ausgeglichen werden, sind diese vom Arbeitgeber in Geld abzugelten. Mit dieser Begründung verlangte die Klägerin in einem Rechtsstreit, den letztlich das Bundesarbeitsgericht entscheiden musste, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abgeltung von 67,10 Gutstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto.
Die Klägerin war bei der Beklagten als Sekretärin beschäftigt. Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hatte, schlossen die Parteien im Kündigungsschutzprozess am 15. November 2016 einen gerichtlichen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 31. Januar 2017 endete. Bis dahin stellte die Beklagte die Klägerin unwiderruflich von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung frei. In diesem Zeitraum sollte auch der Resturlaub eingebracht sein. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel enthält der Vergleich nicht.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat die Klägerin die Abgeltung von 67,10 Gutstunden in Höhe von insgesamt 1.317,28 EUR brutto verlangt.
Grundsätzlich enden Arbeitsverhältnisse mit Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht sofort, sondern müssen zumindest noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortgesetzt werden. Regelmäßig wird in solchen Konstellationen deshalb eine Freistellung vereinbart, durch die der gekündigte Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistung bei Fortzahlung der Vergütung freigestellt wird. Erfolgt eine solche Freistellung unwiderruflich, ist es möglich, noch bestehende Resturlaubsansprüche und Überstunden während der Freistellungsphase zu verrechnen, d.h. abzugelten.
Eine solche Abgeltung, insbesondere von bestehenden Überstunden bzw. Zeitguthaben auf dem Arbeitszeitkonto bedarf jedoch nach der hier vorliegenden Entscheidung des BAG zwingend einer ausdrücklichen Regelung. So hatten die Parteien im gerichtlichen Vergleich zwar eine unwiderrufliche Freistellung von der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung vereinbart und Urlaubsansprüche der Klägerin mit der Freistellung abgegolten, jedoch keine darüberhinausgehende Abgeltung von Überstunden vereinbart. Dies sei jedoch zwingend erforderlich, so die BAG-Richter. Die Freistellung der Arbeitnehmerin von der Arbeitspflicht in einem gerichtlichen Vergleich sei nur dann geeignet, den Anspruch auf Freizeitausgleich zum Abbau von Gutstunden auf dem Arbeitszeitkonto zu erfüllen, wenn die Arbeitnehmerin erkennen könne, dass der Arbeitgeber sie zur Erfüllung des Anspruchs auf Freizeitausgleich von der Arbeitspflicht freistellen will und die Freistellung nicht allein zur Regelung der Arbeitsverpflichtung für den verbleibenden Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist diene.
Da sich eine solche Verrechnung von Überstunden aus der getroffenen Vereinbarung weder ausdrücklich noch konkludent ergebe, befand das BAG den Abgeltungsanspruch der Klägerin für begründet.
Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:
Vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts muss noch einmal auf die Bedeutung einer sorgfältigen und möglichst genauen Formulierung beim Abschluss von gerichtlichen Vergleichen hingewiesen werden. Denn üblicherweise bezwecken die Arbeitsvertragsparteien mit dem Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, insbesondere bei beendeten oder in naher Zukunft endenden Arbeitsverhältnissen, eine endgültige Klärung der Angelegenheit herbeizuführen und sämtliche offene Ansprüche abschließend zu regeln, um weitere Streitigkeiten zu vermeiden. Eine sorgfältige Formulierung ist bei gerichtlichen Vergleichen ebenso zu beachten wie beim Abschluss von Aufhebungsverträgen, bei denen üblicherweise auch Freistellungsabreden vereinbart werden.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung:
20.11.2019
Aktenzeichen:
5 AZR 578/18