BAG: Schon wieder eine Kehrtwende in Sachen Überstundenvergütung bei Teilzeitbeschäftigung
Wieder einmal hat das Bundesarbeitsgericht die Frage der Vergütung von Überstunden bei Wechselschicht- und Schichtarbeit in Krankenhäusern beschäftigt. Dem Dienstverhältnis lag in diesem Fall der TVöD-K zugrunde. Die Klägerin ist als Pflegekraft in Teilzeit (32 Stunden) beschäftigt. Sie leistet Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit. In der ersten Jahreshälfte 2017 überschritt sie nie die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten, leistete aber über ihre vertraglich vereinbarte Zeit hinaus Arbeitsstunden. Die Beklagte vergütete diese Arbeitsstunden, zahlte jedoch keine Überstundenzuschläge. Nach § 7 VI TVöD-K sind Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten, Mehrarbeit. Überstunden sind definiert als Arbeitsstunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollbeschäftigten hinausgehen, § 7 VI TVöD-K.
Das Bundesarbeitsgericht weist die Klage auf Zahlung der Überstundenzuschläge in letzter Instanz ab. Bereits in der Vergangenheit hatte das Bundesarbeitsgericht mehr als nur angedeutet, dass es erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelung des § 7 VIII c) TVÖD-K für begründet erachtet. Hintergrund ist ein Verstoß gegen das Gebot der Normklarheit. Während in der Vergangenheit das Gericht gleichlautende tarifvertragliche Regelungen aber noch für gerade zulässig erachtet hat, hat es seine diesbezügliche Rechtsprechung jetzt aufgegeben und entschieden, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Damit sei für die Klägerin allein die für Teilzeitbeschäftigte geltende Regelung des § 7 VI TVÖD-K (Mehrarbeit) maßgeblich. Diese Bestimmung sehe aber keine Zahlung von Überstundenzuschlägen vor.
Hinweise von Rechtsanwalt Norbert Gescher:
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu Überstundenzuschlägen und dem Entstehen von Überstunden bei Wechselschicht- und Schichtarbeit gleicht einer Achterbahnfahrt. Immer wieder wechselte beginnend seit 2013 die Rechtsprechung der unterschiedlichen Senate. Wirklich überraschend ist die Entscheidung leider dennoch nicht, denn das Bundesarbeitsgericht hat bereits mehrere Vorlagen an den Europäischen Gerichtshof gerichtet, die sich ebenfalls mit der Frage einer etwaigen Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten durch die Überstundenregelungen bei Wechselschicht- und Schichtarbeit beschäftigen.
Letztlich ist die entscheidende Frage, worin man die Grundlage für das Entstehen von Überstundenansprüchen sieht. In der Vergangenheit hatte das Bundesarbeitsgericht durchaus überzeugend dargelegt, dass letztlich ein höheres Maß an Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Zahlung der Überstundenzuschläge vergütet werden soll. Legt man diesen Maßstab an, dann ist eine unterschiedliche Behandlung bei der Frage der Überstundenzuschläge zweifelsfrei nicht gerechtfertigt, denn das Maß an Flexibilität, das bei über den jeweiligen Arbeitsvertrag hinausgehenden und nach Inkraftsetzung des Dienstplans bei verlangten zusätzlichen Stunden anfällt, ist das gleiche. Es bleibt zu hoffen, dass die Tarifvertragsparteien und für den kirchlichen Bereich die arbeitsrechtlichen Kommissionen das Urteil als Handlungsauftrag verstehen, nunmehr eine eindeutige Regelung zur Entstehung von Überstundenzuschlägen zu treffen.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung
15.10.2021
Aktenzeichen
6 AZR 253/19