BAG: Und wieder einmal Vergütung von Umkleidezeiten
Die Parteien streiten über die Erteilung einer Zeitgutschrift, hilfsweise die Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten eines Zugchefs als vergütungspflichtige Arbeitszeit. Der als Zugchef beschäftigte Kläger ist aufgrund einer Konzernbetriebsvereinbarung verpflichtet, die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Unternehmensbekleidung zu tragen. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn für Umkleidezeiten an zwei bestimmten Tagen eine Zeitgutschrift, ersatzweise eine Vergütungszahlung zu gewähren. Das ArbG hat die Klage abgewiesen, das LAG hat ihr im Wesentlichen stattgegeben.
Kraft beiderseitiger Tarifbindung findet der Tarifvertrag für Zugbegleiter und Bordgastronomen von Schienenverkehrsunternehmen des Agv MoVe (Zub-TV) Anwendung. Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„§ 49. Arbeitszeitkonto.
(1) Für Arbeitnehmer wird ein Arbeitszeitkonto geführt, in dem die geleisteten Zeiten und die nach den tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen zu verrechnenden bzw. anzurechnenden Zeiten fortlaufend erfasst werden. Das Arbeitszeitkonto dient auch als arbeitszeitrechtliche Grundlage für das Entgelt. …
§ 54. Beginn und Ende der Arbeitszeit ….
(1) Die Arbeitszeit beginnt und endet am vorgeschriebenen Arbeitsplatz. Durch betriebliche Regelungsabrede kann festgelegt werden, dass ein Zeitverwaltungssystem durch ein Daten-Terminal zu bedienen ist.
(2) Für Arbeitnehmer mit wechselnden Arbeitsplätzen innerhalb einer Schicht beginnt und endet die Arbeitszeit am Ort des Dienstbeginns (Schichtsymmetrie). Abweichungen davon, innerhalb der politischen Gemeinde, bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall für den Transfer zurück zum Ort des Arbeitsbeginns innerhalb einer angemessenen Zeit auf seine Kosten verantwortlich. Näheres regelt eine Betriebsvereinbarung, in der eine vergleichbare, von der politischen Gemeinde abweichende, räumliche Zuordnung vorgesehen werden kann.
§ 85. Unternehmensbekleidung.
Unternehmensbekleidung sind Kleidungsstücke, die zur Sicherstellung eines einheitlichen und gepflegten Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit anstelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden müssen. Einzelheiten werden durch Betriebsvereinbarung geregelt.“
Nach der Konzernrichtlinie Unternehmensbekleidung für die Deutsche Bahn, auf die die Konzernbetriebsvereinbarung Bezug nimmt, stellt die Unternehmensbekleidung ein wesentliches Element des Erscheinungsbildes der Deutschen Bahn in der Öffentlichkeit dar.
Wie in der Vergangenheit auch, bestätigt das BAG, dass es sich bei Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Unternehmensbekleidung im Betrieb einschließlich der hierdurch veranlassten Wegezeiten dem Grunde nach um vergütungspflichtige Arbeitszeit gem. § 611a II BGB handelt. Immer dann, wenn ein Arbeitnehmer die verpflichtend zu tragende Dienstkleidung im Betrieb anlegt, handelt es sich um fremdnützige Zeit, die zu vergüten ist. Das BAG stellt klar, dass dies nicht nur bei besonders auffälliger Dienstkleidung gilt, sondern auch dann, wenn dem Arbeitnehmer freigestellt wird, ob und wo er sich umkleidet.
Allerdings könne eine Vergütung auch ganz ausgeschlossen werden, sofern mit der getroffenen Vereinbarung nicht der jedem Arbeitnehmer für tatsächlich geleistete vergütungspflichtige Arbeit nach § 1 I MiLoG zustehende Anspruch auf den Mindestlohn unterschritten wird. Ob der Tarifvertrag in diesem Sinne auszulegen ist, lasse sich jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit entnehmen.
Im Ergebnis hat das BAG den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Insbesondere müsse geklärt werden, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger an den fraglichen Tagen entgeltrelevante Umkleide- und Wegezeiten aufgewandt hat. Dies sei deshalb zu klären, weil nur die erforderliche Umkleidezeit vergütungspflichtig ist.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Entscheidung bestätigt die bisherige Rechtsprechung des BAG. Wichtig ist insbesondere, dass das BAG klarstellt, dass nicht nur die Pflicht zum Tragen besonders auffälliger Kleidung hiervon betroffen ist und die Vergütungspflicht auch nicht dadurch berührt wird, ob es dem Arbeitnehmer freigestellt ist, sich zu Hause oder im Betrieb umzuziehen. Das BAG hebt aber auch hervor, dass es zulässig ist, für Umkleidezeiten abweichende Vergütungsregelungen zu treffen, oder diese ganz auszuschließen, wenn dadurch nicht gegen das Mindestlohngesetz verstoßen wird. Die Betriebs- und Tarifvertragsparteien werden das entsprechend zu beachten haben.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung
15.07.2021
Aktenzeichen
6 AZR 207/20