BAG: Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung durch Personalgestellung in eine Servicegesellschaft?

Die Beklagte in diesem Verfahren ist ein Krankenhaus, das von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft getragen wird. Die Arbeitgeberin verfügt über keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung und wendet den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) auf das Arbeitsverhältnis an. Der Kläger wird von der Beklagten im Wege der Personalgestellung bei einer Servicegesellschaft eingesetzt, auf die die zuvor von ihm für die Beklagte ausgeübten Tätigkeiten übertragen worden sind. Zu diesem Zweck hatte die Beklagte eigens die Service GmbH gegründet. 

Aufgrund der Übertragung der Aufgabenbereiche auf die Service GmbH kam es für die davon betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem Betriebsübergang nach § 6 13a BGB. Der Kläger hatte dem Betriebsübergang widersprochen, danach dann aber auf Verlangen der Beklagten seine Tätigkeit im Wege der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD bei der Service GmbH erbracht, wobei dieser nur die fachliche und organisatorische Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger obliegt. 

Der Kläger ist der Auffassung, die Personalgestellung in der dort erfolgten Konstellation verstoße gegen die Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EG. Die Beklagte hingegen geht davon aus, sie sei von der Bereichsausnahme in § 1 Abs. 3 Nr. 2b AÜG erfasst, sodass keine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vorliege. In den beiden Vorinstanzen war der Kläger jeweils unterlegen. Das Bundesarbeitsgericht sieht nunmehr die Notwendigkeit, zwei wesentliche Fragen zunächst dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. So soll der EuGH vorab eine Klärung herbeiführen, ob die Personalgestellung im Sinne von § 4 III TVöD unter den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt. Sofern der Europäische Gerichtshof dies bejaht, soll dort dann auch entschieden werden, ob die Leiharbeitsrichtlinien Bereichsausnahmen, wie sie § 1 Abs. 3 Nummer 2b AÜG vorsieht, gestattet. 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs wird von erheblicher Bedeutung für die praktische Ausgestaltung der bei einem Großteil der Krankenhausträgergesellschaften vorzufindenden Konstruktion der Auslagerung von nichtpflegerischen Tätigkeiten in Servicegesellschaften sein. Betroffen sind hiervon klassischerweise Bereiche wie die Hauswirtschaft, der technische Dienst oder der innerbetriebliche Krankenhaustransport. Auch kommunale und kirchliche Krankenhausträger nutzen derartige Konstruktionen, um zumindest für neu eingestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die andernfalls einzuhaltenden Tarifentgelte des TVöD bzw. der kirchlichen Vergütungsregelungen, insbesondere der AVR Caritas und der AVR Diakonie zu unterschreiten. 

 

 

Gericht: 

BAG 

Datum der Entscheidung 

16.06.2021

Aktenzeichen 

6 AZR 390/20 (A)