BAG: Unwirksame Pauschalierung von Überstundenvergütung
Streitgegenständlich war die Klage eines Gewerkschaftssekretärs gegen die ihn anstellende Gewerkschaft. Der Arbeitsvertrag sah eine „Vertrauensarbeitszeit“ auf der Basis von 35 Wochenstunden vor. Im Rahmen der Vertrauensarbeitszeit hatte der Kläger über Beginn und Ende der Arbeitszeit grundsätzlich selbst zu entscheiden. In der Gesamtbetriebsvereinbarung „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (AAB) war vorgesehen, dass Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten und alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stattdessen einen Überstundenzuschlag von 30%, den sie entweder als Freizeitausgleich oder als Überstundenvergütung beanspruchen konnten.
Mit der Klage macht der Kläger für vier Monate die Vergütung von Überstunden in Höhe von 9.345,84 Euro brutto geltend, was nach seiner Berechnung 255,77 Überstunden in diesem Zeitraum entspricht. Die beklagte Gewerkschaft hingegen argumentiert, dass sämtliche Überstunden des Klägers mit den in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehenen neun Ausgleichstagen nach den AAB abgegolten seien.
In den ersten beiden Instanzen hatte der Kläger keinen Erfolg. Das BAG hat nun aber entschieden, dass die AAB teilunwirksam sind, soweit sie für bestimmte Gewerkschaftssekretäre eine Pauschalvergütung von Überstunden vorsehen. Das BAG sieht mit der dort vorgesehenen Voraussetzung „regelmäßiger Mehrarbeit“ einen Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit für gegeben, weil für die Beschäftigten nicht hinreichend klar ersichtlich ist, in welchem Fall dieses Kriterium erfüllt ist. Zudem liege ein Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, denn die „Regelmäßigkeit“ von Überstunden sei kein taugliches Differenzierungskriterium für die Art der Abrechnung von Überstunden. Da über die konkrete Höhe der dem Kläger noch zustehenden Vergütung anhand der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht entschieden werden konnte, wurde das Verfahren zur weiteren Klärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Das Bundesarbeitsgericht erlaubt grundsätzlich eine Pauschalierung von Überstunden und Mehrarbeit. Voraussetzung ist jedoch, dass die Voraussetzungen und der Umfang der Pauschalierung klar bestimmt sind. In den hier zu prüfenden ABB der Gewerkschaft ver.di waren aber die Voraussetzungen für den Mehrarbeitsausgleich nicht hinreichend klar geregelt. Insofern ist das Merkmal „regelmäßig“ als Voraussetzung zu unpräzise. Zu Recht hat das BAG darüber hinaus aber auch einen Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bejaht, weil für die unterschiedliche Behandlung von Gewerkschaftssekretären und sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kein sachlicher Grund vorliegt.
Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Datum der Entscheidung:
26.06.2019
Aktenzeichen:
2 SA 221/17