BAG: Urlaubsabgeltung bei Tod des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis
Nach dem Tod eines schwerbehinderten Mitarbeiters hat dessen Witwe als Alleinerbin die Abgeltung des ihrem Ehemann vor seinem Tod zustehenden Urlaubs und Zusatzurlaubs geltend gemacht. Nachdem bereits die ersten beiden Instanzen der Klage stattgegeben haben, hat das BAG die Revision der Arbeitgeberin zurückgewiesen. In seinem Leitsatz weist das BAG darauf hin, dass die Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB i.V.m. § 7 Abs. 4 BUrlG Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs haben und dass dies sowohl für den gesetzlichen Mindesturlaub als auch für den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX und auch für den tariflichen Mehrurlaub gemäß § 26 TVöD gilt.
Der Anspruch auf Vergütung als finanzieller Aspekt des dem Erblasser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zustehenden Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sei Bestandteil des Erbes. Für den gesetzlichen Mindesturlaub ergebe dies die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 1, 7 IV BUrlG. Insofern gehe zwar der Freistellungsanspruch in Folge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter, die Vergütungskomponente des Urlaubsanspruchs bleibe als Abgeltungsanspruch jedoch selbständig erhalten. Auch der dem Erblasser zustehende Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen sei Bestandteil der Erbmasse geworden. Der gesetzlichen Regelung des § 208 I 1 SGB IX liege derselbe Urlaubsbegriff zugrunde wie der Bestimmung des § 1 BUrlG. Auf diesen Zusatzurlaub seien deshalb die Vorschriften über die Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs anzuwenden Nichts anderes gelte zudem auch für den gemäß des einbezogenen TVöD bestehenden Anspruch auf tariflichen Mehrurlaub des Erblassers.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Entscheidung war in dieser Form zu erwarten, nachdem der EuGH in seinen von uns im Dezember 2018 kommentierten Entscheidungen vom 06.11.2018 (C-569/16 und C-570/16) die grundsätzliche Vererbbarkeit von Urlaubsabgeltungsansprüchen anerkannt hatte. Zugleich gibt das BAG nunmehr seine bisher abweichende Rechtsprechung auf und stellt klar, dass diese Grundsätze nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für tariflichen Mehrurlaub und den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten. Abzuwarten bleibt, ob diese Rechtsprechung in Zukunft auch auf arbeitsvertraglich vereinbarten Mehrurlaub ausgedehnt werden wird.
Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Datum der Entscheidung:
22.01.2019
Aktenzeichen:
9 AZR 45/16