BAG: Verdeckte Überwachung der PC-Nutzung eines Arbeitnehmers mittels Keylogger führt zu Beweisverwertungsverbot
Erkenntnisse, die der Arbeitgeber mit einer Keylogger-Software über die Privatnutzung eines dienstlichen PC durch den Arbeitnehmer gewonnen hat, ohne dass ein auf den Arbeitnehmer bezogener, auf Tatsachen beruhender Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung bestand, dürfen in einem gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden.
Die Parteien stritten in einem Kündigungsschutzverfahren über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die der Arbeitgeber gegenüber dem seit 2011 bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer ausgesprochen hatte. Die gegen die Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers, hier eines Web-Entwicklers, hatte in allen Instanzen Erfolg.
Die Beklagte hatte auf dem Dienst-PC des Klägers einen sog. Keylogger installiert, mit dem sie sämtliche Tastatureingaben protokollierte und regemäßig Bildschirmfotos (Screenshots) fertigte. Zuvor hatte sie im April 2015 allen Arbeitnehmern mitgeteilt, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ werde. Nach Auswertung der mit Hilfe dieses Keyloggers erstellten Dateien stellte die Beklagte den Kläger zur Rede, der sodann einräumte, seinen Dienst-PC während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Auf schriftliche Nachfrage gab er an, nur in geringem Umfang und in der Regel in seinen Pausen ein Computerspiel programmiert und E-Mail-Verkehr für die Firma seines Vaters abgewickelt zu haben. Die Beklagte, die nach dem vom Keylogger erfassten Datenmaterial davon ausgehen konnte, der Kläger habe in erheblichem Umfang Privattätigkeiten am Arbeitsplatz erledigt, kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich.
Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse über die Privattätigkeiten des Klägers im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden dürfen. Die Beklagte habe durch den Einsatz des Keyloggers das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Die Informationsgewinnung sei auch nach § 32 Abs. 1 BDSG nicht zulässig gewesen. Die Beklagte habe beim Einsatz der Software gegenüber dem Kläger keinen auf Tatsachen beruhenden Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung gehabt. Die von ihr „ins Blaue hinein“ veranlasste Maßnahme sei daher unverhältnismäßig gewesen. Der Kläger habe auch nicht im Sinne des § 4a BDSG in die Datenerhebung eingewilligt, indem er der Ankündigung der Überwachung nicht widersprochen habe. Hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten Privatnutzung habe das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, diese rechtfertige die Kündigungen mangels vorheriger Abmahnung nicht.
Hinweise von Rechtsanwältin Dr. Astrid Dotting:
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt einmal mehr, dass den technischen Möglichkeiten der Überwachung am Arbeitsplatz weiterhin rechtliche Grenzen gezogen werden. Dies gilt insbesondere für die Verwertung von Zufallsergebnissen bei einer pauschalen Überwachung des Arbeitnehmers. Ob mittels technischer Überwachungseinrichtungen gewonnene Erkenntnisse im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens verwertet werden dürfen, wird mithin auch zukünftig im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen sein. Sofern Arbeitgeber sich in begründeten Verdachtsfällen bei der Überwachung eines Arbeitnehmers an die Vorgaben aus Gesetz und Rechtsprechung halten, können jedoch die erweiterten technischen Möglichkeiten durchaus genutzt und die gewonnenen Erkenntnisse im Einzelfall unter Umständen gegen den Arbeitnehmer verwendet werden.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
2 AZR 681/16
Datum der Entscheidung:
26.7.2017