BAG: Verzicht auf Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ein Mitarbeiter kann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam auf seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung verzichten.
Der Kläger war ab Januar 2006 arbeitsunfähig. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30.06.2009. Im Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen durch die ordentliche personenbedingte Kündigung der Beklagten vom 26.11.2008 mit Ablauf des 30.06.2009 aufgelöst wurde.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Sozialabfindung in Höhe von 11.500,00 EUR brutto bis zum 15.07.2010.
3. Mit Erfüllung des vorliegenden gerichtlichen Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.“
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass sein Anspruch auf Urlaubsabgeltung von der in Ziffer 3 des Vergleiches vereinbarten Erledigungsklausel nicht erfasst sei und klagte auf Zahlung der Urlaubsabgeltung.
Das Bundesarbeitsgericht schloss sich der Auffassung des Klägers in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung nicht an.
Mit der Bestimmung von Ziffer 3 des gerichtlichen Vergleichs hat der Kläger mit seiner Arbeitgeberin ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis vereinbart. Mit einem solchen konstitutiven negativen Schuldanerkenntnis werden alle Ansprüche, die dem Arbeitnehmer bekannt waren oder mit deren Bestehen zu rechnen war, zum Erlöschen gebracht. Das erfasst nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung.
Nach früherer Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes handelte es sich bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch um ein Surrogat des Urlaubsanspruches. Auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch können Arbeitnehmer, wie sich auch aus der Bestimmung von § 13 Absatz 1 BUrlG ergibt, nicht wirksam verzichten. Da der Urlaubsabgeltungsanspruch vom Bundesarbeitsgericht als ein Surrogat des Urlaubsanspruches verstanden wurde, konnte ein Arbeitnehmer nach früherer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht wirksam auf den Urlaubsabgeltungsanspruch verzichten.
Diese Surrogationstheorie ist vom Bundesarbeitsgericht mittlerweile aufgegeben worden. Sobald ein Urlaubsabgeltungsanspruch entstanden ist, stellt er einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers dar und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Ansprüchen des Arbeitnehmers. Damit unterfallen Urlaubsabgeltungsansprüche auch tariflichen Ausschlussfristen. Nicht anders verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaubsabgeltungsanspruch nicht verfallen lässt, sondern nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit konstitutiver Wirkung anerkennt, dass er diesen Anspruch nicht mehr innehat.
Nach dieser Entscheidung kann ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses wirksam auf den mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden Anspruch auf Urlaubsabgeltung verzichten. Das kann auch in einer Erledigungsklausel erfolgen, wie der Kläger sie in Ziffer 3 seines gerichtlichen Vergleiches vereinbart hatte. Der Kläger hatte mit Abschluss des gerichtlichen Vergleichs auf „alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ verzichtet. Davon war auch sein Anspruch auf Urlaubsabgeltung erfasst. Seine Klage war damit unbegründet. (BAG vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11)
Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: bei der Anwendung der neuen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ist darauf zu achten, dass die Möglichkeit zum Verzicht auf Urlaubsabgeltungsansprüche regelmäßig die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Eine solche Vereinbarung ist mithin nur dann wirksam, wenn sie „nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ geschlossen wird.