BAG: Wählbarkeit von überlassenen Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes – Voraussetzungen der Unwirksamkeit einer Betriebsratswahl

Die Arbeitgeberin ist eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft. Neben 50 eigenen Arbeitnehmern beschäftigt sie langfristig neun Arbeitnehmer eines Schwesterunternehmens im Rahmen einer konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung. Schließlich setzt sie aufgrund eines Personalüberlassungsvertrages vier Arbeitnehmer des Landkreises in der von ihr betriebenen Müllverbrennungsanlage ein.

Im Frühjahr 2010 wurde im Betrieb eine Betriebsratswahl durchgeführt. Der Wahlvorstand führte in der Wählerliste neben den 50 Arbeitnehmern der Arbeitgeberin auch die neun im Wege der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung tätigen Arbeitnehmer der Schwestergesellschaft und die vier Kreisbediensteten auf. Bei keinem der in der Wählerliste aufgeführten Mitarbeiter wurde vermerkt, dass der Mitarbeiter nicht wählbar ist. Es wurde ein aus fünf Mitgliedern bestehender Betriebsrat im Wege der Listenwahl gewählt. Keiner der neun im Wege der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung tätigen Mitarbeiter hat bei der Wahl kandidiert.

Die Wahl wurde von der Arbeitgeberin angefochten. Nach ihrer Auffassung seien bei der Größe des Betriebsrates lediglich die 50 eigenen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Ferner hätten die im Wege der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung tätigen Mitarbeiter und die Kreisbediensteten als nicht wählbar bezeichnet werden dürfen.

Das Landesarbeitsgericht hatte die Wahlanfechtung zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin blieb vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolglos. Die Wahl des Betriebsrats war wirksam.

  1. Eine Betriebsratswahl kann gem. § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Diese Voraussetzungen sah das Bundesarbeitsgericht nicht als erfüllt an.Es wurde zu Recht ein aus fünf Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt. Neben den 50 eigenen Arbeitnehmern der Arbeitgeberin sind auch die vier Kreisbediensteten bei der Bemessung der Größe des Betriebsrates zu berücksichtigen. Dieses ergibt sich aus der Bestimmung von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, die folgenden Wortlaut hat:

    Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte, Soldaten sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind. Die vier Kreisbediensteten sind Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes und im Betrieb der Arbeitgeberin, einer in der Rechtsform einer GmbH tätigen Gesellschaft, eingesetzt. Dort sind sie „in die Betriebsorganisation eingegliedert“ und damit im Betrieb „tätig“. Es handelt sich bei den Kreisbediensteten damit um Betriebsangehörige Arbeitnehmer der Arbeitgeberin im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG.

    Die in § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG genannten Beschäftigten sind bei den organisatorischen Schwellenwerten des Betriebsverfassungsgesetzes zu berücksichtigen. Dies ergibt eine an Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck orientierte Auslegung. Damit waren die vier Kreisbediensteten bei der Ermittlung der Größe des Betriebsrates zu berücksichtigen, da ein aus fünf Mitgliedern bestehender Betriebsrat ab einer Größe von 51 wahlberechtigten Arbeitnehmern zu wählen ist. Auf die Frage, ob die im Wege der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung tätigen Mitarbeiter ebenfalls zu berücksichtigen sind, kommt es damit nicht mehr an.

  2. Der Wahlvorstand hatte die Kreisbediensteten zutreffend als wählbar bezeichnet. Wählbar sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG alle Wahlberechtigten, die sechs Monate dem Betrieb angehören. Wahlberechtigt sind gem. § 7 Abs. 1 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebes, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die Kreisbediensteten gehören gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zum Kreis der wahlberechtigten Arbeitnehmer. Damit sind sie im Einsatzbetrieb passiv wahlberechtigt, wenn sie die übrigen Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllen.<li> Für die Entscheidung kam es nicht darauf an, ob auch die im Wege der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung tätigen Mitarbeiter der Schwestergesellschaft im Betrieb bei der Wahl zum Betriebsrat wählbar waren. Es könne dabei zu Gunsten der Arbeitgeberin unterstellt werden, dass diese neun Arbeitnehmer nicht wählbar gewesen seien und dass dieses in der Wählerliste hätte ausgewiesen werden müssen. Dieser Verstoß konnte das Wahlergebnis jedoch nicht beeinflussen. Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften berechtigen dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn die Verstöße das Wahlergebnis weder ändern noch beeinflussen konnten. Das Bundesarbeitsgericht führt dazu aus:

    Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahlurne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden. Bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl.

    Keiner der neun Mitarbeiter der Schwestergesellschaft hatte zur Wahl des Betriebsrates kandidiert. Damit war ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer von seinem Wahlrecht in anderer Weise Gebrauch gemacht hätte, wenn diese neun Arbeitnehmer als nicht wählbar bezeichnet worden wären. Nur dann, wenn ein nicht wählbarer Arbeitnehmer für den Betriebsrat kandidiert hätte – was nicht der Fall war – wäre ein anderes Stimmverhalten denkbar gewesen.

Die Betriebsratswahl war damit wirksam. (BAG vom 12.09.2012, 7 ABR 37/11)

Aktenzeichen:

7 ABR 37/11

7 ABR 37/11