BAG: Wirksame Urlaubserteilung bei unwiderruflicher Freistellung
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ging es darum, ob der noch offene Urlaubsanspruch einer Arbeitnehmerin durch die einseitige und unwiderrufliche Freistellung seitens der Arbeitgeberin wirksam verbraucht wurde oder ob noch ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung besteht.
Die Arbeitnehmerin hatte das Arbeitsverhältnis mit Kündigung vom 24.04.2017 selbst zum 31.05.2017 gekündigt. Daraufhin hatte die Arbeitgeberin die Arbeitnehmerin mit Schreiben vom 02.05.2017 unwiderruflich freigestellt. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
„Wir werden Sie im Mai nicht planen. Stattdessen stellen wir Sie unter Anrechnung Ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche unwiderruflich frei. Den sich ergebenden Saldo Ihres Arbeitszeitkontos werden wir anschließend mit Ihrem Maigehalt verrechnen. ….“
Das Bundesarbeitsgericht sah diese Erklärung als ausreichend an, um durch diese unwiderrufliche Freistellung die noch offenen Urlaubsansprüche der Arbeitnehmerin zu erfüllen. Damit kam das Bundesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmerin kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht, da der im Zeitpunkt der Kündigung noch offene Urlaub durch die unwiderrufliche Freistellung noch eingebracht werden konnte.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bestätigt die bisherige Rechtsprechung zur Anrechnung von Urlaub durch einseitige unwiderrufliche Freistellung.
Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht nochmal folgenden zentralen Grundsatz wiederholt (siehe Rn. 18 des Urteils):
„Eine auf die Erfüllung des Urlaubsanspruchs gerichtete Erklärung des Arbeitgebers ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken oder als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will (vgl. BAG 10.2.2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 19, BAGE 150, 355 = AP BUrlG § 7 Nr. 75)“
Nach diesem Grundsatz kommt es daher entscheidend darauf an, ob sich (ggf. durch Auslegung) aus der Freistellungserklärung ergibt, dass diese erfolgt um den Urlaubsanspruch zu erfüllen. Denn die Urlaubsanrechnung ist nicht die einzige denkbare gewünschte Rechtsfolge, sondern in manchen Fällen kann der Wille des Arbeitgebers bei der Freistellung auch einfach darauf gerichtet sein, den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auszuschließen, um etwa als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme unter Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes des Arbeitnehmers gemäß § 615 Satz 2 BGB zu verzichten (vgl. BAG 10.2.2015 – 9 AZR 455/13 – Rn. 19).
Im vorliegenden Fall ergab die Auslegung des Wortlauts der unwiderruflichen Freistellung, dass die unwiderrufliche Freistellung gerade zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub erfolgte und auch entsprechende Gehalts-/Urlaubsentgeltzahlungen erfolgen sollten. Die Voraussetzungen für eine wirksame Urlaubserteilung durch die unwiderrufliche Freistellung lagen daher im vom BAG entschiedenen Fall vor.
Hinweise von Mosebach Gescher Otto Dotting – Rechtsanwälte Partnerschaft mbB:
Bei der einseitigen Freistellung durch den Arbeitgeber (etwa nach Ausspruch einer Kündigung und während des Laufs der Kündigungsfrist) ist genau zu unterscheiden zwischen einer widerruflichen Freistellung und einer unwiderruflichen Freistellung.
Die widerrufliche Freistellung hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er diese Freistellung wieder rückgängig machen kann, z.B. falls später noch unvorhergesehene Übergabearbeiten erforderlich sein sollten. Der Nachteil der widerruflichen Freistellung ist, dass durch die widerrufliche Freistellung keine Anrechnung von Urlaubsansprüchen erfolgt, wenn nicht zusätzlich ein konkreter Urlaubszeitraum für die Zeit während dieser Freistellung bestimmt wird. Dagegen bedarf es bei der unwiderruflichen Freistellung grundsätzlich keiner genauen Festlegung des Urlaubszeitraums.
Bei der Freistellungserklärung ist auf den genauen Wortlaut zu achten, da insoweit leicht Fehler gemacht werden können und dann z.B. noch offene Urlaubsansprüche trotz Freistellung nicht wirksam angerechnet werden können.
Weiterhin ist bei der Freistellung neben der Frage der Anrechnung von Urlaub, Zeitguthaben, Überstunden u.Ä. auch noch daran zu denken, ob eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes geregelt werden soll und für die Anrechnung anderweitigen Verdienstes wäre auch noch über eine Regelung betreffend das Festhalten am gesetzlichen Wettbewerbsverbot nachzudenken.
Gericht:
Bundesarbeitsgericht
Datum der Entscheidung:
20.08.2019
Aktenzeichen:
9 AZR 468/18