BAG: Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die hiervon betroffenen Arbeitnehmer dieser zustimmen

Im entschiedenen Fall hatte ein Logistik- und Produktveredelungsdienstleister bereits im Jahr 2007 eine Betriebsvereinbarung über variable Vergütung für die Mitarbeiter im Lage abgeschlossen. Die variable Vergütung berechnete sich dabei sowohl an Anwesenheitszeiten der Arbeitnehmer als auch an leistungsorientierten Aspekten.

Die Betriebsvereinbarung enthielt zum Inkrafttreten folgende Regelung:

„Diese Betriebsvereinbarung tritt für alle Mitarbeiter mit Wirkung ab dem 01.07.2007 unter der Bedingung in Kraft, dass 80 % der abgegebenen Stimmen bis zum Ablauf der vom Unternehmen jeweils gesetzten Frist der Betriebsvereinbarung einzelvertraglich schriftlich zugestimmt haben. Hierzu erhalten die Mitarbeiter ein schriftliches Angebot des Unternehmens.“

Die in der Betriebsvereinbarung geregelte Quote wurde nicht erreicht und der Betriebsrat beantragte die Feststellung der Nichtigkeit, hilfsweise der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung. Nachdem der Antrag in den Vorinstanzen abgewiesen wurde, hat das BAG dem Antrag in der Rechtsbeschwerde stattgegeben, weil die normative Wirkung einer Betriebsvereinbarung nicht von einem Zustimmungsquorum der Belegschaft abhängig gemacht werden könne.

 

Hinweise von  Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Zutreffend stellt das BAG fest, dass die unmittelbare und zwingende Wirkung einer Betriebsvereinbarung es ausschließt, die Geltung einer Betriebsvereinbarung an das Erreichen eines Zustimmungsquorums verbunden mit dem Abschluss einer einzelvertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu knüpfen. Dies entspricht der Rechtsprechung, wonach der Betriebsrat nicht auf Rechtspositionen aus dem BetrVG verzichten kann. Hier liegt ein Vergleich mit der gefestigten Rechtsprechung des BAG zum unzulässigen Verzicht des Betriebsrats auf Mitbestimmungsrechte nahe. Man könnte aber durchaus auch abweichend die Meinung vertreten, dass der Betriebsrat in dem hier entschiedenen Fall ja nicht auf eine eigene Entscheidung verzichtet, sondern diese lediglich ausgestaltet hat. Insofern liegt jetzt eine wichtige Klarstellung vor, die bei der Gestaltung von Betriebsvereinbarungen zukünftig zu beachten sein wird.

 

Gericht:

BAG

Datum der Entscheidung:

28.07.2020

Aktenzeichen:

1 ABR 4/19