BAG: Wirksamkeit von Stichtagsregelungen
Im streitigen Sachverhalt klagte ein examinierter Altenpfleger nach zum 31.07.2017 erfolgter Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses auf anteilige Jahressonderzahlung für das Kalenderjahr 2017 in Höhe von 1.781,- Euro. Die Arbeitgeberin gehört dem Caritasverband an und auf das Beschäftigungsverhältnis finden die AVR-Caritas Anwendung. Diese beinhalten in der Anlage 32 u.a. folgende Regelung:
„§ 16a. Mitarbeiter, die am 1.12. im Dienstverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.“
Der Kläger vertrat die Auffassung, bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Caritasverbands verstoße der Ausschluss einer auch nur anteiligen Jahressonderzahlung gegen Art. 3 I und 12 I GG sowie den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Dienstgeberin hingegen vertrat die Auffassung, die wirksame Stichtagsregelung führe dazu, dass ein entsprechender Anspruch nicht bestehe.
Im Ergebnis ist der Kläger mit seinem Anspruch in allen drei Instanzen unterlegen. Dabei geht das BAG mit der gefestigten Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei Inbezugnahmeklausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, die weder überraschend sind noch gegen das Transparenzgebot verstoßen.
Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich auch nicht aus Nr. 2 des Beschlusses der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23.11.2016, wonach bei „jedem Wechsel eines oder einer Beschäftigten von einem Dienstgeber im Bereich der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse zu einem anderen Dienstgeber im Bereich der Grundordnung, für den ein anderer arbeitsrechtlicher Regelungsbereich gilt (Wechsel in der Zuständigkeit der nach Art. 7 Grundordnung gebildeten Kommission)“. Im vorliegenden Fall wurde nämlich der Zuständigkeitsbereich der Arbeitsrechtlichen Kommission nicht geändert, denn der Kläger wechselte zu einem anderen Caritas-Dienstgeber.
Zudem seien vollständig in Bezug genommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nicht nach § 307 I 2 BGB darauf zu überprüfen, ob sie transparent sind (BAG 30.10.2019 – 6 AZR 465/18, BAGE 168, 254 Rn. 34 = NZA 2020, 379).
Ein Verstoß der Stichtagsregelung in § 16 I der Anlage 32 zu den AVR Caritas gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit könne nicht festgestellt werden, so dass mangels Vorliegen der Vorrausetzungen des § 16a der Anlage 32 auch kein Anspruch bestehe.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Nr. 2 des Beschlusses der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23.11.2016 wird in der Praxis häufig übersehen, greift im vorliegenden Sachverhalt aber inhaltlich nicht ein. Dabei geht das BAG davon aus, dass die unterschiedliche Behandlung bei einem Verbleib im Bereich der AK-Caritas gegenüber einem Wechsel in den Bereich der KODA sachlich gerechtfertigt sei. Insbesondere könnten nämlich bei einem Wechsel des arbeitsrechtlichen Regelungsbereichs Entgelteinbußen – etwa aufgrund einer geänderten Stufenzuordnung – eintreten. Daher sei es berechtigt, diese Wechsel auch rechtlich unterschiedlich auszugestalten.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen
10 AZR 322/19
Datum der Entscheidung
08.09.2021