BAG: Wirtschaftliches Risiko der Transfergesellschaft

Die D KG hatte mit dem Gesamtbetriebsrat einen Transfersozialplan und eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Durchführung einer Transfermaßnahme vereinbart. Aufgrund dessen schloss der Kläger mit der D KG und der Transfergesellschaft einen dreiseitigen Aufhebungs- und Anstellungsvertrag. Danach sollte das zwischen der D KG und dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.06.2009 enden und vom 01.07.2009 bis zum 31.03.2010 ein befristetes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Transfergesellschaft bestehen. Der Kläger erhielt danach das Transferkurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit und eine von der D KG zu finanzierende Aufstockung auf 80% des bisherigen Nettoentgeltes. Im Herbst 2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der D KG eingeleitet und die D KG leistete keine weiteren Zahlungen mehr an die Transfergesellschaft. Die Transfergesellschaft sprach deshalb mit Datum vom 30.10.2009 gegenüber dem Kläger eine außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, der vom Arbeitsgericht stattgegeben wurde. Das Landesarbeitsgericht wies die dagegen gerichtete Berufung zurück.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich den Vorinstanzen angeschlossen und die Revision zurückgewiesen. Ein Kündigungsgrund habe nicht vorgelegen.

Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war im befristeten Arbeitsvertrag nicht vereinbart, sodass das Arbeitsverhältnis nur außerordentlich kündbar gewesen wäre. Eine betriebsbedingte Kündigung könne jedoch nur im Ausnahmefall als außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden und das nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer andernfalls trotz Wegfalls aller Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsse, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde. Solches sei hier jedenfalls nicht gegeben.

Die Transfergesellschaft sei zwar von Insolvenz bedroht gewesen. Das rechtfertige eine außerordentliche Kündigung jedoch nicht. Dem Arbeitgeber ist es selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Frist zur ordentlichen Kündigung abzuwarten.

Auch liege in der schlechten wirtschaftlichen Lage oder einer drohenden Insolvenz des Arbeitgebers kein Kündigungsgrund. Das wirtschaftliche Risiko trage der Arbeitgeber.

Die Kündigung war deshalb unwirksam. Ein Kündigungsgrund lag nicht vor.(BAG vom 24.01.2013, 2 AZR 453/11)

Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Trotz der in vielen Regionen guten Lage auf dem Arbeitsmarkt erfreuen sich Transfergesellschaften noch immer einer gewissen Beliebtheit. Sie ermöglichen dem Arbeitgeber eine rechtssichere Trennung von den betroffenen Arbeitnehmern, da diese zum Wechsel in die Transfergesellschaft einen Aufhebungsvertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber vereinbaren müssen und damit die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage nicht mehr besteht. Für Arbeitnehmer erscheint der Wechsel in eine Transfergesellschaft insbesondere dann interessant, wenn auf diese Weise die Bezugszeit von Sozialleistungen deutlich verlängert werden kann.

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht aber ein häufig übersehendes Risiko. Die Transfergesellschaft wird regelmäßig vom bisherigen Arbeitgeber finanziert, der nicht nur die sogenannten Remanenzkosten, sondern auch die Aufstockung auf das Nettoentgelt trägt. Fällt der bisherige Arbeitgeber in Insolvenz, wird die Transfergesellschaft nicht mehr in der Lage sein, die Kosten für die weitere Durchführung der Transfermaßnahme zu tragen.

Die Transfergesellschaft hat deshalb gegenüber dem Kläger im vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen. Damit musste die Transfergesellschaft aber scheitern. Die Refinanzierung gehört regelmäßig zum wirtschaftlichen Risiko, welches vom Arbeitgeber zu tragen ist, also von der Transfergesellschaft. Dem Kläger dürfte das nichts geholfen haben. Die Transfergesellschaft ist im Laufe des Verfahrens selbst in Insolvenz gefallen.

Transfergesellschaften werden in Zukunft versuchen, das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers auf andere Weise zu begrenzen. Das könnte zunächst dadurch erfolgen, dass sämtliche zu erwartenden Kosten der Transfergesellschaf vor Beginn der Maßnahme auf ein Treuhandkonto zu überweisen sind. Alternativ könnte daran gedacht werden, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorzubehalten. Aus Sicht der betroffenen Mitarbeiter würde das allerdings die deutlich schlechtere Alternative darstellen, da diese Mitarbeiter in den ersten sechs Monaten ihres Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes nicht in Anspruch nehmen könnten und damit die Gefahr bestünde, dass das Arbeitsverhältnis ohne jeden Grund von der Transfergesellschaft vorzeitig beendet wird.

Aktenzeichen:

2 AZR 453/11

2 AZR 453/11