BAG zu rechtsmissbräuchlicher Kettenbefristung von Arbeitsverträgen
Nachdem sich bereits der Europäische Gerichtshof (vgl. EuGH, Urteil v. 26.1.2012 – Rs. C-586/10) mit dem Fall der langjährigen Kettenbefristung von Arbeitsverträgen einer Kölner Justizangestellten befasst hatte, musste nunmehr das Bundesarbeitsgericht (BAG) in dem Fall entscheiden (vgl. BAG, Urteile v. 18.7.2012 – 7 AZR 443/09).
Die Klägerin war beim beklagten Land NRW aufgrund von insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen von Juli 1996 bis Dezember 2007 im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln tätig. Die befristete Beschäftigung diente fast durchgehend der Vertretung von Justizangestellten, die sich in Elternzeit oder in Sonderurlaub befanden. Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Befristung des letzten im Dezember 2006 geschlossenen Vertrags angegriffen.
Das BAG konnte der Klage nicht stattgeben, sondern verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück, um dem beklagten Land Gelegenheit zu geben, noch besondere Umstände vorzutragen, die der Annahme des an sich indizierten Rechtsmissbrauchs entgegenstehen. Im Übrigen führte das BAG allerdings in seiner Entscheidung aus, dass die Befristung eines Arbeitsvertrags trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein könne. Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs könnten insbesondere die sehr lange Gesamtdauer oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen .
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG ist die Befristung eines Arbeitsvertrags zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nennt beispielhaft solche Sachgründe. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. In solchen Fällen kann auch eine größere Zahl von mit einem Arbeitnehmer geschlossenen, befristeten Verträge in Betracht kommen. Maßgeblich ist, ob bei der letzten Befristungsabrede ein Vertretungsfall vorlag. Selbst nach der Rechtsprechung des EuGH schließt nämlich ein bei dem Arbeitgeber bestehender ständiger Vertretungsbedarf den Sachgrund für eine vertretungsbedingte Befristung grundsätzlich nicht aus. Der EuGH hatte allerdings entschieden, dass die nationalen staatlichen Stellen auch bei Vorliegen eines sachlichen Grundes alle weiteren mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände berücksichtigen müssen, die einen Hinweis auf Missbrauch geben können. Bei dieser Prüfung könnten sich die Zahl und Dauer der mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden Verträge als relevant erweisen.
Daran anknüpfend führte das BAG nunmehr aus, dass die Ausnutzung der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich durch Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Befristung eines Arbeitsvertrags ergeben, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt des institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein kann. An einen solchen nur ausnahmsweise anzunehmenden Rechtsmissbrauch sind hohe Anforderungen zu stellen. Es sind dabei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere aber Gesamtdauer und Anzahl der in der Vergangenheit mit demselben Arbeitgeber geschlossenen aufeinander folgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen. Im Streitfall sprach die Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen dafür, dass das beklagte Land die an sich eröffnete Möglichkeit der Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt habe.
7 AZR 443/09
7 AZR 443/09
7 AZR 443/09
7 AZR 443/09