BAG: Zugang einer Kündigungserklärung – Einwurf in den Hausbriefkasten
Diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) beschäftigt sich mit den grundlegenden Voraussetzungen dafür, wann eine Kündigung bei einem Einwurf in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers als diesem zugegangen anzusehen ist (Anm.: Diese Frage stellt sich nur, wenn nicht bereits konkret nachgewiesen ist, dass der Arbeitnehmer die Kündigung an dem Tag tatsächlich zur Kenntnis genommen hat – denn wenn es sich tatsächlich feststellen lässt, bedarf es der Zugangsfiktion nicht.).
Konkret wurde im vorliegenden Fall die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung von dem Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in der Berufungsinstanz bereits deshalb als rechtswirksam angesehen, weil das LAG davon ausging, dass die Kündigung nicht rechtzeitig innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG per Kündigungsschutzklage angegriffen worden sei. Dabei hatte das LAG zugrunde gelegt, dass das Kündigungsschreiben, welches von Mitarbeitern des Arbeitgebers gegen 13:25 Uhr – und damit deutlich nach der üblichen örtlichen Postzustellung gegen 11:00 Uhr – in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen wurde, noch am selben Tag als zugegangen anzusehen sei.
Diese Entscheidung des LAG wurde vom BAG aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das LAG zurückverwiesen, da das LAG die maßgeblichen Grundsätze für die Bestimmung des Zugangszeitpunkts für die Kündigung nicht richtig angewandt hatte.
Dabei fasst die Entscheidung des BAG noch einmal die wesentlichsten Grundsätze für die Beantwortung der Frage des Zugangszeitpunkts bei Einwurf einer Kündigung in einen Hausbriefkasten anschaulich zusammen. Zentraler – bereits bekannter – Grundsatz ist dabei:
„Das in einen Hausbriefkasten eingeworfene Kündigungsschreiben geht dem Empfänger in dem Zeitpunkt zu, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist.“
Zutreffend fasst das BAG hier noch einmal zusammen, dass dabei bislang die Annahme einer Verkehrsanschauung zugrunde gelegt wird, wonach bei Hausbriefkästen im Allgemeinen mit einer Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten (welche allerdings örtlich stark variieren können) zu rechnen sei (Beispiel: Bei einer örtlich üblichen Postzustellzeit um ca. 11 Uhr, wäre bei Einwurf der Kündigung am Nachmittag durch den Arbeitgeber in den Hausbriefkasten des Arbeitnehmers erst für den Folgetag vom Zugang der Kündigung auszugehen.).
Das LAG geht demgegenüber davon aus, dass diese Verkehrsanschauung nicht mehr zeitgemäß wäre und geht von einer Leerung des Hausbriefkastens nach der angeblich geänderten Verkehrsanschauung um 17:00 Uhr aus. Das LAG hatte diese angeblich geänderte Verkehrsanschauung wohl damit begründet, dass mittlerweile davon auszugehen wäre, dass die Mehrheit der Bevölkerung erst nach Rückkehr von der Arbeit ihren Briefkasten leeren würden.
Das BAG hat sich hiermit sehr sorgfältig auseinandergesetzt und deutlich gemacht, dass es allein aufgrund der Ausführungen des LAG noch keine geänderte Verkehrsanschauung feststellen kann. Es dürfte daher für die Frage, wann nach der Verkehrsanschauung mit der Entnahme aus dem Briefkasten zu rechnen ist, wohl erst einmal weiterhin besonders auf die üblichen Postzustellzeiten ankommen.
Hinweise von Mosebach Gescher Otto Dotting – Rechtsanwälte Partnerschaft mbB :
Um einen Zugang durch einen Einwurf der Kündigung durch einen Boten in den Hausbriefkasten noch am selben Tag zu gewährleisten, sollte der Einwurf der Kündigung daher in den frühen Morgenstunden und jedenfalls nachweisbar noch vor den üblichen Postlaufzeiten erfolgen (der sicherere Weg ist natürlich der nachweisbare Einwurf noch vor dem letzten Tag einer Frist).
Weiter ist auch zu beachten, dass neben den hier genannten Grundsätzen stets auch die Besonderheiten des Einzelfalls eine Rolle für die Bewertung des Zugangs spielen können. So kann unter besonderen Umständen auch bei einem Posteinwurf am Nachmittag und nach den üblichen Postlaufzeiten möglicherweise noch eine Zugangsfiktion für denselben Tag anzunehmen sein, etwa wenn der Arbeitnehmer aufgrund besonderer Umstände noch mit einem Posteinwurf bis zu einer bestimmten Uhrzeit rechnen musste.
Die Entscheidung verdeutlicht noch einmal, wie bedeutend die Einhaltung von Fristen im Zusammenhang mit dem Ausspruch von Kündigungen ist und dass bereits bei der Frage, wann die Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist (als Ausgangspunkt für die Fristberechnung) Unsicherheiten möglichst im Vorfeld durch rechtzeitiges Handeln vermieden werden sollten. Die Frage, an welchem Tag die Kündigung als dem Arbeitnehmer als zugegangen anzusehen ist, ist dabei sowohl für den Arbeitnehmer (z.B. dafür, wann die Frist für die Einreichung der Kündigungsschutzklage abläuft) als auch für den Arbeitgeber (insbesondere im Zusammenhang mit Ausschlussfristen (wie § 626 Abs. 2 BGB für außerordentliche Kündigungen) und für den Beginn der Berechnung der Kündigungsfrist (z.B. ob die Kündigung noch am 31.03. zugegangen ist oder erst am 01.04.)) bedeutsam und mit entsprechenden Risiken (z.B. die Berechnung der Kündigungsfrist einen Monat ab Monatsende verlängert sich um einen Monat) verbunden.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
2 AZR 111/19
Datum der Entscheidung:
22.08.2019