BAG: Zur Berücksichtigung „billigen Ermessens“ durch den Arbeitgeber bei Versetzungen

Nach einer Entscheidung des BAG aus dem Juli 2013 ist bei Versetzungen eine Auswahl des Arbeitgebers, die nur solche Arbeitnehmer erfasst, die vorher befristete Arbeitsverträge hatten, ermessensfehlerhaft.

Im entschiedenen Fall hatte die Arbeitgeberin, nämlich die Bundesagentur für Arbeit, in ihren Dienststellen zunächst eine Reihe von Mitarbeitern, darunter auch die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits, nur im Rahmen formal befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Diese Befristungen hatte die Bundesagentur mit haushaltsrechtlichen Erwägungen zu rechtfertigen versucht. Nachdem diese Befristungen – wie das BAG unter Hinweis auf eine frühere Entscheidung (Urt. vom 09.03.2011 – 7 AZR 728/09) berichtet – rechtlicher Kontrolle nicht standhielten, hatte die Bundesagentur für Arbeit zahlreiche Arbeitsverträge unbefristet fortgeführt („entfristet“).

Aus Sicht der Bundesagentur kam es hierdurch in den betroffenen Dienststellen zu einem Personalüberhang („Entfristungsüberhang“), dem sie durch Versetzungen in andere Dienststellen abzuhelfen versuchte. Allerdings bezog die Bundeagentur in diese Entscheidung nur diejenigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein, die zuvor entfristet worden waren.

Zu Unrecht, wie nunmehr das BAG entschied: Zwar könne im vorliegenden Fall aufgrund der Regelungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag die Arbeitgeberin bei Vorliegen eines dienstlichen Grundes eine Versetzung vornehmen. Auch sei bei einem Personalüberhang in einer Dienststelle ein solcher Grund gegeben. Doch sei die Versetzung nur zulässig, wenn sie Grenzen billigem Ermessens wahre. Dies erfordere eine angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Arbeitsvertragsparteien. Eine solche sei aber nicht möglich, wenn die Bundesagentur die Auswahl von vornherein nur auf einen Teil der Mitarbeiter erstrecke (BAG vom 10.07.2013 – 10 AZR 915/12)

Hinweise von Rechtsanwalt Michael Kügler:
Die vorbezeichnete Entscheidung lässt sich auf alle Fälle verallgemeinern, in denen Arbeitgeber bei ihren Entscheidungen die „Grenzen billigem Ermessens“ zu wahren haben. Dies ist häufiger der Fall, als es den Beteiligten bewusst scheint:

Nach § 106 Gewerbeordnung (GewO) gilt nämlich folgendes:

„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. …“

Die Wahrung der Grenzen billigem Ermessens ist dabei, wie der vom BAG entschiedene Fall zeigt, kein rechtlich unverbindlicher Programmsatz, sondern von Rechts wegen erforderlich. Arbeitgeber sollten derartige Entscheidungen sorgfältig vornehmen, insbesondere die wechselseitigen Belange und deren Abwägung auch im Streitfall darlegen können. Und sie sollten der Verlockung widerstehen, sich die Entscheidung dadurch zu erleichtern, dass sie den Kreis der zu berücksichtigen Betroffenen wie im vorliegenden Fall unzulässig beschränken.

Aktenzeichen:

10 AZR 915/12

10 AZR 915/12

10 AZR 915/12